Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

68 Siebente Ordnung: Suchvögel; erſte Familie: Negenpfeifer.

nah. Während der Winterreiſe verfolgt ſie das geſamte Naubgezücht mehr odex weniger. Dem Jäger gegenüber pflegt ſi< übrigens der ziehende Goldregenpfeifer vorſichtig zu benehmen, und jedenfalls unterſcheidet er ihn von dem Landmanne und Hirten recht gut. Wer den Lockton nachzuahmen verſteht, kann ihn zu ſi<h heranrufen, und ebenſo läßt er ſich in einen eigens für ihn geſtellten Herd lo>en. Das Wildbret wird geſchäßt, obgleich es im Herbſte zuweilen etwas thranig ſ{hme>t.

Der Mornell oder Morinell, au<h Poſſenreißer, Zitron- und Pomeranzenvogel genannt (Charadrius morinellnus, tataricnus, sibiricus und anglus, Enudromias morinellus oder morinella, montana und stolida, Morinellus sibiricus, Pluyialis minor, Abbildung S. 66), trägt ein Kleid, das der Bodenfärbung einer Gebirgshalde vortrefflich entſpricht. Das Gefieder des Oberkörpers iſt ſhwärzlih, wegen der roſtroten Federränder lichter gezeihnet, der graue Kopf duxch einen ſhmalen ſ{<hwarzen und einen weißen Gürtel von der Bruſt getrennt, dieſe roſtrot, die Unterbruſt in der Mitte ſchwarz, der Bauch weiß; über das Auge verläuft ein breiter lichter, im Nacen zuſammenlaufender Streifen. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß grünlichgelb. Jm Herbſtkleide iſt der Oberkörper tief aſchgrau, der Oberkopf tief ſ<wärzli<h und roſtgelb gemiſcht, der Streifen über dem Auge blaß roſtgelb, die Oberbruſt grau, der übrige Unterkörper weiß. Das Weibchen iſt minder ſhön, dem Männchen aber ähnlich. Die Länge beträgt 23, die Breite 46, die Fittichlänge 15, die Shwanzlänge 7 em.

In der Kirgiſenſteppe und anderen mittelaſiatiſhen Hochländern vertritt den Mornell der Steppenregenpfeifer (Charadrius asiaticus, caspius, jugularis, damarensis und gigas, Endromias asíatica, Morinellus asíaticus und caspius), der ſi ebenfalls wiederholt nah Europa verflogen hat, auh auf Helgoland erlegt wurde. Er iſt beträchtlich kleiner als der Mornell und einfacher gezeihnet. Stirn, Wangen, Kinn, Oberkehle und die ganze Unterſeite, mit Ausnahme eines breiten, hell roſtroten, unten ſhwarz eingefaßten Kropfquerbandes, ſind weiß, Zügel und alle Oberteile licht erdbraun, die äußeren Shwanzfedern an der Spie weiß.

Gelegentlich einer Nenntierjagd auf dem Dovrefjelde und unmittelbar unter der Grenze des ſhmelzenden Schnees lernte ih den Mornell zuerſt als Brutvogel kennen; ſpäter fand ih, daß er überall im Norden, aber nux an ähnlichen Orten, gegen das Nordfap hin allerdings auf niedrigeren Bergrücken, immer aber im Alpengebiete oder in der Hochtundra gefunden wird. Sein Brutgebiet reiht von Finnmarken bis ins Taimirxland und von Spißbergen oder Nowaja Semlja bis Mitteldeutſ<hland und Mittelſibirien, ſein Wandergebiet bis Kleinaſien, Perſien, Abeſſinien (?) und Algerien. Fn unſerem Vaterlande bewohnt er wohl nux den Kamm des Rieſengebirges, in Großbritannien das ſchottiſche Hochland, im ſüdlichen Sibirien, laut Nadde, die alpinen Bergflächen in einer Höhe von 2000—3000 m. Gelegentlich ſeiner Winterreiſen beſucht er Deutſhland, Frankreich, Ungarn und Norditalien regelmäßig, zieht aber ſelten weiter als bis in die Mittelmeerländer oder die dieſen entſprehenden Gegenden Mittelaſiens und überwintert alſo ſhon in Spanien, Griechenland und der Türkei oder in der Tatarei und Perſien. Wahrſcheinli<h nimmt ev auch in der Winterherberge auf Gebirgen ſeinen Stand; dies mag die Uxſache ſein, daß er von den dort beobahtenden Forſchern immer als ſeltene Erſcheinung betrachtet wird. Er verläßt bereits im Auguſt ſeine Heimat und kommt ſelten früher als im April dahin zurü>, beginnt aber freilih ſofort nach ſeiner Ankunft das Brutgeſchäft. Seine Wanderung tritt ex in kleineren oder größeren Geſellſchaften an und reiſt bei Tage wie bei Nacht.