Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

6 Ein Blick auf das Leben der Geſamtheit.

Auch die Verdauungswerkzeuge ſind vielfach verſchieden. Die Zunge läßt ſi bei einzelnen, z. B. den Krokodilen, nur ein vorſpringender, flacher Wulſt nennen, der auf dem Boden der Mundhöhle liegt, überall angewachſen und vollkommen unbeweglich iſt; bei anderen, 3. B. den Schildkröten, iſt ſie fleiſchig, furz, di>; bei wieder anderen, den Eidechſen, bald eiförmig platt, bald in eine Scheide eingebettet, bald vorſhnellbar oder, wie auh bei den Schlangen, in lange, fadenförmige Spitzen ausgezogen. Der weite Schlund iſt bei einzelnen einer beiſpielloſen Ausdehnung fähig und geht unmerklich in den geräumigen, di>wandigen Magen über, der gegen den Darm hin durch eine Falte oder Klappe ſich abgrenzt. Der Darm iſt weit, wenig gewunden, kürzer oder länger, der Aſterdarm oft durch einen Blindſa> und eine ſtark erweiterte Kloake ausgezeihnet. Leber, Gallenblaſe und Milz ſind ſtets vorhanden; eigentliche Speicheldrüſen fehlen oft; eine Bauchſpeicheldrüſe dagegen wird ſehr regelmäßig gefunden. Die Schildkröten zeichnen ſih vor anderen Kriechtieren dur< den Beſiß einer Unterzungendrüſe, zahlreiche Eidehſen und Schlangen dur< das Vorhandenſein von Lippendrüſen, viele der lebteren no außerdem dur eine große, in der Schläfengegend gelegene Drüſe aus, die bei mehreren Shlangenfamilien Gift abſondert und den gefurchten oder durhbohrten Giftzähnen zuführt.

Die Nieren ſind gewöhnlih ſehr groß, oft vielfach gelappt; die von ihnen ausgehenden Harnleiter münden hinter der Mand der Kloake ein, vor welcher ſih bei Cidehſen und Schildkröten eine Harnblaſe befindet. Die Hoden liegen ſtets im Fnneren der Bauchhöhle; ihre Ausführungsgänge ſammeln ſi< gewöhnlich in einem Nebenhoden, aus wel<hem dann die Samenleiter entſpringen. Begattungswerkzeuge ſind mit Ausnahme der Brücenech]e, wo ſie fehlen, bei allen Kriechtieren ausgebildet. Schlangen und Eidechſen haben eine paarige, mit zottigen Stacheln oder hornigen Haken beſeßte Nute, die bei der Begattung derart umgeſtülpt wird, daß, wie bei einem Handſchuhfinger, ihre innere Fläche zur äußeren wird; Schildkröten und Krokodile hingegen beſißen nur eine einfache, an der Vorderwand der Kloake befeſtigte, undur<hbohrte Rute, auf deren äußerer Fläche ſich eine Längsrinne zur Fortleitung der Samenflüſſigkeit befindet. Die Eierſtöke bilden bald Schläuche, bald Platten und ſind immer von den Eileitern geſchieden.

Die Werkzeuge der Atmung erleiden, wie bereits bemerkt, keine Umwandlung, ſondern ſind immer nur als Lungen entwielt. Nux bei gewiſſen Schildkröten, den Weichſchildkröten, beſteht neben der Lungenatmung noch die Andeutung einer Waſſeratmung durch zottenartige Gebilde des Schlundes. Die eigentümlichen, ſ{<lu>enden, ſogenannten „oszillatoriſhen“ Kehlbewegungen, die man nur bei den Schlangen vermißt, und die noch deutlicher bei den Lurchen auſtreten, nimmt C. Heinemann als Reſte rüd>gebildeter Kiemenatmung in Anſpruch, ſucht ſie als ererbte Atembewegungen zu erklären und vermutet für ſie ein zweites Nervenzentrum neben dem Lungenatmungszentrum. Ein geſonderter Kehlkopf iſt vorhanden, die Luftröhre gewöhnlich in Äſte geteilt, die Grenze zwiſchen der Röhre und den Äſten aber oft ſehr ſchwierig zu beſtimmen, da die Knorpelringe, die erſtere umgeben, zuweilen ſich weit in die Lungen hinein fortſeßen und anderſeits die Lungenzellen über einen großen Teil der Luftröhre ſi hinziehen. Die Lungen ſind häutige Säcke und entweder ungeteilt, wie bei den meiſten Kriechtieren, oder mit Nebenſäken verſehen, wie bei einzelnen Eidechſen, oder dur< endſtändige, zipfelförmige Verlängerungen ausgezeichnet. Bei den Schlangen, deren rechte Lunge länger und weiter zu ſein pflegt als die linke, kann leßtere auh gängli verkümmern und erſtere, mindeſtens bei einzelnen Arten, teilweiſe zu einem Luftbehälter werden, der für die Atmung ſelbſt bedeutungslos zu ſein ſcheint. Gewöhnlich ſind zwei ſacartige Lungen ausgebildet, die ſi<h durch die ganze Bauchhöhle erſtre>en und auf ihrev inneren Fläche zellige Vorſprünge der Schleimhaut zeigen, oder vollkommener entwidelt ſind und dann einem ſ{hwammigen Gewebe ähnlih werden.