Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Entwi>kelung. Vorkommen in der Vorzeit. 641

die S<hlußfolgerung gere<tfertigt, daß uns die älteſten Vertreter der Lurche wahrſcheinlih noch unbekannt ſind. Die Fundorte von Panzerlurchen der Steinkohlenzeit ſind wenig zahlrei, allein ſie enthalten meiſt eine ziemlih große Anzahl von Gattungen und Arten, ſo daß ſhon beim erſtmaligen Auftreten der Lurche ſehr verſchiedenartige und zum Teil auffallend voneinander abweichende Tierformen nebeneinander gelebt haben. Neben fußloſen Gattungen treten auh vierfüßige auf. Beſonders bemerkenswert iſt die weite geographiſche Verbreitung gewiſſer Gattungen einerſeits in Nordamerika, anderſeits in Jrland und Böhmen.

„Es iſt mit Sicherheit bewieſen, daß die Panzerlurche eine ganz ſelbſtändige, dur viele Eigentümlichkeiten im Baue des Gerippes von den übrigen Lurchen unterſchiedene Ordnung bilden, daß ſie in mancher Hinſicht Keimlingsmerkmale bewahrt haben und im Ganzen größere Ähnlichkeit mit den Fiſchen verraten, als ihre jezt lebenden Stammesgenoſſen. JFmmerhin ſind aber alle bekannten verſteinerten Lurh- und Knorpelfiſche von ihnen dur< ſo ſcharfe Unterſchiede getrennt, daß bis jeßt wenigſtens eine no< unüberbrü>te Kluft zwiſchen den beiden Klaſſen der Lurche und Fiſche beſteht.

„Zeigen die Panzerlurche ſchon in der Steinkohle eine ſtarke Formenentwi>elung und anſehnliche Verbreitung, ſo halten ſie ſi< ungefähr in gleicher Stärke auch zur Zeit der Ablagerung des Rotliegenden. Hier ſind es die Schichten von Lebach bei Saarbrücken, die Funde in Böhmen und Sachſen, in Autun und neuerdings auh in Texas Neumexiko und Jllinois, die wahre Wundertiere ergeben haben. Die von E. D. Cope in den Vereinigten Staaten entde>ten Gattungen gehören meiſt den Schnittwirblern an, übertreffen jedoch die europäiſchen Verwandten bedeutend an Größe. Jm allgemeinen herrſchen auh im Rotliegenden Hülſen- und Schnittwirbler vor; Formen mit feſt verknöcherten Wirbeln, Ganzwirbler, fehlen zwar niht gänzlich, allein ſie ſind ſpärlich und gehören meiſt zu Gattungen mit verhältnismäßig einfahen Labyrinthzähnen und beſhupptem Bauche. |

„Zwiſchen die Steinkohlenzeit und die meſozoiſchen Ablagerungen ſchalten \ſi< im ſüdlichen Afrifa, in Fndien und Auſtralien ſandige und thonige Schichtenreihen ein, deren Alter bisher niht mit Sicherheit feſtgeſtellt werden konnte, und die gleichfalls eine Anzahl von Panzerlurchen enthalten. Fn Europa erreicht dieſe Lurchordnung ihre vollkommenſte Entwickelung und zugleich ihren Abſchluß im Buntſandſteine und in den Lettenkohlenſchichten der Trias. Die triaſiſhen Gattungen zeichnen ſih meiſt dur< gewaltige Größe, faſt vollſtändige Verknöcherung der Wirbelſäule, höchſt verwi>elten „labyrinthiſchen“ Bau der Zähne und dur den Mangel an Bauchſhuppen aus und ſtellen ohne Zweifel die höchſte Formenentwidelung und zugleih das Sthlußglied der ſeit dieſer Zeit völlig ausgeſtorbenen Entwidelungsreihe der Panzerlurche dar.

„Wahrſcheinlich ſind die Panzerlur<he, nachdem ſie in den gewaltigen Labyrinthodonten der Trias ihre höchſte Vervollkommnung erreicht hatten und einer weiteren Ausbildung niht mehr fähig waren, ausgeſtorben. Fn keinem Falle können die noh jeßt lebenden Blindwühlen, Schwanzlurche und Froſchlurche von den triaſiſchen Labyrinthodonten als unmittelbare Nahkommen abgeleitet werden, denn zwiſchen dieſen Panzerlurchen und jenen jüngeren Drdnungen der Lure beſteht niht nur im Leibesbaue, ſondern auh in der geologiſ<hen Verbreitung eine bis jezt unausgefüllte Lücke. Wenn auh gewiſſe paläogoiſche Hülſenwirbler in ihrer äußeren Erſcheinung an Salamander oder Blindwühlen erinnern, ſo ergeben ſi<h doh bei einer genaueren Vergleichung des Gerippes ſo tiefgreifende Unterſchiede, daß eine unmittelbare Ableitung der jüngeren Lurche von den Panzerlurchen auf große Schwierigkeiten ſtößt. Jedenfalls kommen die Labyrinthodonten außer Betracht, und zwiſchen den Hülſenwirblern der Steinkohle und des Notliegenden

und dem älteſten bis jezt bekannten Schwanzlurche aus dex unteren Kreide von Berniſſart Brehm, Tierleben. 83. Auflage. VII. 4l