Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

440 Achte Ordnung: Knorpelfloſſer; erſte Familie: Menſchenhaie.

regelmäßig in den oberen Schichten des Waſſers umher. Gewöhnlich erbli>t man ſie ſhon aus ziemlicher Entfernung, weil ſie ſo hoh zu ſ{hwimmen pflegen, daß die Rüenfloſſe no< um ein gutes Stü> aus dem Waſſer hervorragt, und daß man, wie ih oft gethan, mit gutem Erfolge eine Büchſenkugel auf ſie abſchießen kann. Solange ſie niht eine beſtimmte Beute vor Augen haben, ſ<wimmen ſie gleiGmäßig und ziemlich raſ< dahin; deim Verfolgen eines Tieres aber ſteigern ſie die Schnelligkeit ihrer Bewegung in außerordentlichem Grade. An Gelenkigkeit mögen ſie allerdings hinter manchen Fiſchen zurü>ſtehen, können z. B. niht ſo jähe Wendungen ausführen, ſind jedo< viel gewandter, als man gewöhnlih annimmt, und erſeßen dur die jähe Schnelligkeit ihres Angriffes, was ihnen an Gelenkigfeit wirklih abgeht. Fhre Sinne ſcheinen wohl entwidelt zu ſein; jedenfalls ſteht ſo viel feſt, daß ſie ſehr gut ſehen; auch läßt ſich mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß ihr Geruch feiner iſt als der anderer Fiſche. Mehrere Beobachter wollen geradezu im Geruche den höchſt entwi>elten ihrer Sinne erkannt haben und behaupten, daß ſie von ſtark riehenden Körpern mehr angezogen würden als von anderen, ſo von Negern mehr als von Weißen. Db auch ihr Gehör als ſcharf bezeichnet werden kann, ſteht dahin.

Aus dem Gebaren der Haifiſche geht mit unbeſtreitbarer Gewißheit hervor, daß ihre geiſtigen Fähigkeiten ausgebildeter ſind als bei allen übrigen Fiſchen, ſo oft auch ihre ungeſtüme Raubſucht und Unbeda@htſamkeit beim Anbli>e einer Beute dem zu widerſprechen ſcheint. Auf erſteres deuten die Planmäßigkeit ihrer Jagden, die ſie ausführen, die Regelmäßigkeit, womit ſie beſtimmte Pläße beſuchen, das Gedächtnis, das ſie bei ſolhen Gelegenheiten bekunden, ja, in gewiſſem Sinne auch ihr ſhon erwähntes Verhältnis zum Lotſenfiſche, deſſen Dienſte ſie ſi< zu nuße machen, die Hartnätigkeit, mit welcher ſie Schiffe begleiten, wovon immer etwas für ſie abfällt, die Liebe, die ſie gegen ihre Jungen bethätigen, zum mindeſten bethätigen ſollen, und anderes mehr. Aber freilich, ihr unerſättlicher Heißhunger, ihre unglaubliche Freßgier ſtellt jene Eigenſchaften oft tief in Schatten und läßt ſie geradezu ſinnlos handeln. Gefräßigkeit darf als eine der hauptſählihſten Eigenſchaften aller Fiſche bezeihnet werden; unter dem gefräßigen Heere aber ſind ſie unbedingt die gefräßigſten. „Zu ihrer Gröſſe“, ſagt der alte Gesner ſehr rihtig vom Menſchenhaie, „ſind ſie von ſ{<neller Bewegnuß, räubig und argliſtig, unter allen andern fiſhen geil, hohprächtig, ſtoly und unverſhämbt, alſo daß ſie auh zu zeiten den Fiſchern die fiſh auß den Neuſſen und Garnen freſſen.“

Wenn von ihrer Unerſättlichkeit geſprohen wird, muß dies buchſtäblih verſtanden werden. Es quält ſie wirklih ein niemals zu ſtillender Heißhunger. Alle Nahrungsmittel, die ſie verſchlingen, gehen nur halbverdaut wieder ab, und deshalb ſind ſie genötigt, den fortwährend raſh ſi<h entleerenden Magen immer von neuem zu füllen. Sie freſſen alles Genießbare, ja ſogar alles, was genießbar ſcheint; denn man hat oft au< unverdaulihhe Gegenſtände aus ihnen herausgeſhnitten. Der Magen eines Weißhaies enthielt einen halben Schinken, einige Schafbeine, den Hinterteil eines Schweines, das Haupt und die Vorderbeine eines Bulldoggs, eine Menge von Pferdefleiſh, ein Stü>k Sa>leinen und einen Schiffskraßer. Andere Haie ſah man die verſchiedenartigſten Dinge verſchlingen, die man ihnen vom Schiſfe aus zuwarf, Kleidungsſtü>ke ebenſowohl wie Spe> oder Stofiſh und dergleichen, pflanzliche Stoffe mit gleicher Gier wie tieriſhe, wirklih nährfähige. Bennett vergleicht ſie mit dem Strauße und meint, man müſſe annehmen, daß ihrer Verdauungsfähigkeit nihts unmöglich ſei, da ſie die Zinnkannen, die ſie verſhlu>en, doch wieder los werden müßten; Cetti verſichert, daß man in den Tonnaren Tiere dieſer Art fange, die 1500—2000 kg wiegen, und ſeßt hinzu, daß allerdings auh ein ſehr großer Körper dazu gehöre, um 8—10 Thunfiſche auf einmal zu verſchlu>en, wie dieſe Haie es im ſtande ſeien. Die Beſißer der Tonnaren werden durch ſie ununterbrohen in Furcht

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