Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

488 Kehnte Ordnung: Rundmäuler; erſte Familie: Neunaugen.

ſtrengem Waſſer, auf Steinboden, tragen mit den Mäulern zweipfündige Steine um die Grube herum.“ Genau dasſelbe wird dur<h Fardiner berichtet. „Sie ſind“, meint dieſer Naturforſcher, „nicht ausgerüſtet mit den Werkzeugen anderer Süßwaſſerfiſhe, um Gruben zur Aufnahme ihrer Eier zu bilden; dieſer Mangel aber wird ihnen erſet dur< ihren Saugmund, -mittels deſſen ſie Steine bewegen. Jhre Kraft iſt erſtaunlich; Steine von bedeutender Größe werden zur Seite geſchafft und ſo raſh große Höhlungen gebildet. Fn einer ſolhen verweilt nun ein Paar Neunaugen, indem es ſi< an einem der größeren Steine feſthält, um zu laichen.“ Auch die Sandbri>ke hat Baldner beim Laichgeſchäſte beobachtet und ihr Treiben folgendermaßen beſchrieben: „Sie hangen an den Steinen haufſe<t beyeinander, wo das Waſſer ſtarkh laufft; da machen ſie tiefe grüblein, darin thut ſi das paar mit den Bauchen zuſammen, ihre geylheit zu verrichten, welches ih ſonſten an keinem Fiſh alſo geſehen, als von den Neunho>en, dieweil ſie in den Waſſern, da es niht dieff, ley<hen, daß mans wohl ſehen kann.“

Auguſt Müller, der Gelegenheit hatte, das Laichgeſchäft dieſer Bricke in der Panke bei Berlin zu beobachten, beſtätigt die alte Angabe in allen weſentlihen Punkten. Ex ſah zehn und mehr Stücke der Sandbricke diht gedrängt beiſammen und bemerkte, daß einzelne Milchner ſi<h am Na>en der Rogener feſtſogen und in einer halben Windung nah deſſen Unterſeite hinabbogen, um die abgehenden Eier zu befruchten. Bis zur Zeit der Müllerſchen Forſhungen hatte ‘man auf den Laichpläßen der Sandbri>e einen wurmartigen Fiſh bemerkt, der unter dem Namen Querder, Kieferwurm oder Ulen (Ammocoetes branchialis) wohlbefannt und {on von Aldrovandi beſchrieben worden war. Dieſes Tier hat bei 18 cm Länge in der Regel nur die Dicke eines Federkieles, einen ſehr kleinen Kopf mit kaum ſihtbaren Augen, Kiemenlöcher, die in einer tiefen Längsfurche liegen, deutliche Hautringel und matt ſilberglänzende, auf den Floſſen in Gelblihweiß übergehende Färbung. Es findet ſi< überall ziemlih häufig, hält ſi< ebenſo im Waſſer mit ſhlammigem wie mit ſandigem Grunde auf und erinnert in ſeiner Lebensweiſe mehr an die Würmer als an die Fiſche, denen es überhaupt erſt, nahdem es ſorgfältig zergliedert worden war, beigeſellt werden konnte. Wie Würmer bohrt es ſih in den Schlamm ein, den es freiwillig faſt nie verläßt; denn von ſeinen Floſſen mat es nur dann Gebrauch, wenn es gilt, ſih von neuem wieder im Schlamme oder an ähnlichen Verſte>pläßen zu verbergen. Beſonders gern verkrieht es ſi<h auch in die zum Röſten eingelegten Flachsbündel und heißt deshalb hier und da „Leinaal“, weil man es findet, wenn man den aus dem Waſſer genommenen Fla<hs zum Bleichen ausbreitet. An manchen Orten macht man Jagd auf die Querder, ſchneidet ihnen den Kopf ab, kocht ſie in Weinbrühe, Butter und Zitronenſaft und hält ſie als ſ{<hma>haftes Gericht in Ehren; der gemeine Mann verachtet ſie jedoh der wurmförmigen Geſtalt halber, und der Fiſcher braucht ſie in der Regel nur als Köder, weil ſie ein überaus zähes Leben haben und ſelbſt bei bedeutenden Verwundungen noch tagelang leben, ſih wenigſtens bewegen. Alle Naturforſcher betrachten den Querder als einen den Lampreten ſehr ähnlihen Fiſch; keinem von ihnen fiel es ein, in ihm no< mehr als einen Verwandten zu erkennen.

Um die Entwickelung der vor ſeinen Augen befruchteten Eier der Sandbri>ke zu ſtudieren, entnahm Müller Laich und erhielt aus ihm nah einer Entwi>kelungs8zeit von 18 Tagen junge Fiſchchen, die zu ſeinem höchſten Erſtaunen von jungen Querdern nicht zu unterſcheiden waren und beim weiteren Heranwachſen ſi< unzweifelhaft als ſolche herausſtellten. Dieſe Wahrnehmung mußte den Beobachter auf den Gedanken bringen, daß der Querder keine beſondere Art ſein könne, ſondern die Larve der Sandbrie ſein müſſe. Einmal auf das Ungewöhnliche der Entwilkelung der Neunaugen aufmerkſam geworden, gelang es Müller, die verſchiedenen Verwandlungszuſtände der Bri>ken, vom blinden