Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

Leben8weiſe. Fortpflanzung. Fang. Verwertung. 489

Querder an bis zur ausgebildeten großäugigen Sandbri>ke, nahzuweiſen. Daß die Entwi>elung und Umwandlung der übrigen Neunaugen in dieſer Weiſe erfolgt, unterliegt taum noch einem Zweifel. Aus allen Eiern entſtehen zuerſt Querder, die binnen 3 oder 4 Fahren bis zur Größe von 18—20 em heranwachſen und ſodann in ſehr kurzer Zeit, im Verlaufe von wenigen Tagen nämlich, ſi< in ausgebildete Fiſhe umwandeln.

Die Feſtſtellung dieſer Thatſache gab noh einen weiteren Aufſ{<hluß über das Leben unſerer Fiſche. Schon den alten Forſchern war bekannt, daß die Lampreten um die Fortpflanzungszeit „dur< viel bewegnuß abnemmen vnd ſterben, etlihe ehe ſie geberen oder leyhen“. Man wußte auch, daß ſie während des Sommers wenig oder nicht gefunden werden, hatte endlih viele von ihnen tot im Waſſer treibend geſehen; ja, ein italieniſcher Forſcher, Panizza, ſagt geradezu, daß man die Seelampreten nach beendigtem Laichgeſchäfte tot im Fluſſe auffiſhe. Als nun Müller ungeachtet aller Nahſuhungen bald nach der Laichzeit feine Spur mehr von den in der Panke häufigen Sandbri>ken auffinden, ſondern nur einige ihrer Leichname im Waſſer wahrnehmen, ex bei genaueſter Unterſuchung der Eierſtö>e außerdem niemals Eier verſchiedener Entwickelungszuſtände, wie bei anderen Tieren, ſondern kurz nah der Laichzeit immer nichts weiter als die leeren Kelche wahrnehmen konnte, hielt er ſi< für berechtigt, daraus zu ſchließen, daß die Neunaugen nah der Laichzeit untergehen. Die Wahrheit dieſer Annahme vorausgeſeßt, ergibt ſih alſo, daß unſere ſo tiefſtehenden Wirbeltiere, ähnli<h wie ſo viele wirbelloſe, ein langes Leben als Larve und nur wenige Tage als erwa<hſene oder umgewandelte Fiſche dur<hleben.

Zum Fange der Neunaugen bedient man ſich meiſtens mehrkammeriger Reuſen, die aus Vinſen geflo<hten und an reißenden Stellen des Stromes aufgeſtellt werden, wendet hier und da auh Garne an oder gebraucht endli<h Speere und Haken, um die, die ſih am Grunde feſtgeſogen haben, emporzuziehen. Der Hauptfang findet im Frühling ſtatt, wenn die Tiere aus dem Meere aufſteigen; Flußbri>en werden aber au< im Herbſte in Menge erbeutet, da ſie um dieſe Zeit von den Flüſſen aus in das Meer hinaus wandern. Zum Verſand röſtet man die gefangenen Fiſche ein wenig und bringt ſie dann in eine reihli< mit Eſſig und Gewürzen verſeßte Lake. Das Fleiſch wird bei uns in Ehren gehalten. „Die Lampreten“, ſagt Gesner, ſind in Frühlingszeit ganz gut und lieblich zu eſſent, auh je gröſſer je beſſer. Sehr angenehm und lieblich ſind ſie zu eſſen: gebären doch ein dies und ſhleimiges Geblüt, derowegen man ſie mit gutem Wein und Gewürß bereiten ſoll.“ Zm Mittelalter wurden in Frankreich die Neunaugen von Nantes beſonders gerühmt, und es gab Händler, die keine anderen Fiſche nah Paris brachten als dieſe. Der Begehr war ſo ſtark, daß dur königlichen Befehl verboten werden mußte, beſagten Händlern entgegenzugehen und deren Ware vorweg zu kaufen. Auch in England hielt und hält man ſie hoh; in Schottland dagegen pflegen die Fiſcher, laut Parnell, diejenigen, die zufällig in ihre Nete gerieten, ſtets wieder ins Waſſer zu werfen, weil ſie ein niht auszurottendes Vorurteil gegen dieſe Fiſche hegen.

Gefangene Neunaugen dauern auch in wohleingerihteten Be>ken niht lange aus, weil ſie kein Futter annehmen. Sobald wie mögli ſaugen ſie ſi an irgend einem Gegenſtande, auh an der glätteſten Glastafel feſt, atmen lebhaft, unter deutlich ſihtbaren Bewegungen der Kiemenknorpel, bewegen ſich jedoh, ungezwungen, nicht weiter, fallen endlich tot von ihrem Plate und ſinken zu Boden.

' Würmer unter den Fiſchen ſind die nächſten Verwandten der Lampreten, die Blindfiſche. Sie bilden die in zwei Gattungen zerfällte, nur fünf bekannte Arten zählende