Charakterologie

Die Gejhledtertypen 161

(das Dunfle, Dionyjiihe) dem Weiblichen zujprechen. Man fan (Goethes „saujt”) das Drängen und Wühlen, die unruhige Abenteuerlichfeit des geijtig und tatmähig Erobernden dem „männlichen Prinzip“, die jtille, duldende, ausharrende Treue und Güte (und das dadurch „Erlöjende") dem Weiblichen zujprehen. Man farın im MWeiblichen (über die Brüde der intuitiven Derbundenheit mit dem Grund aller Dinge) den Urgrund jehen für jedes gejunde Leben: „Mutter Erde” — und entjprechend an der weiblihen Pjyche vor allem die Gejchlojjenheit erfennen. (Simmel jagte, daß im weiblichen Charafter jeder Teil das Ganze auslöje.) Und jo fan man eine Unmenge von Bildern und Typendimenfionen auf den Gegenjat der Gejhlechter anwenden. Das alles ijt für jaubere Begriffsarbeit höchit ärgerlid — es paßt immer irgendwie”, aber niemals richtig.

Eines allerdings muß zugegeben werden, und das hält die Hoffnung aufrecht, den Gegenjaß eines Tages doch mit präzijerem Inhalt füllen zu fönnen: feines diejer Merkmale lieke jih umgefehrt auf den Gejchlechtergegenjag anwenden, aljo jo, daß 3. B. Aktivität ebenjogut dem Weiblichen, Dajiivität dem Männlichen zugejprochen werden könnte. Wie vage aud) ein Typengegenjaß pajjen mag, wenn er überhaupt paßt, jo jchließt er die umgefehrte Zuorönung aus. Das jcheint vielleicht reichlich dürftig, aber in einem Gebiet, in dem die Bildgejtalten dermaßen durcheinanderjchwimmen, bedeutet dies immerhin jchon einen beadjtlichen Halt.

Die jeit vielen Jahrhunderten in der abendländiichen Kultur (nicht feit ewig und nicht in allen Kulturen) übliche Höherbewertung des Männlichen (bejjer jagt man: jtärfere Abjolutierung des Wertes des Männlichen) bringt es mit ji), daß der Gegenjat zu allen möglihyen und unmöglichen Polemifen verwendet wird. „Weiblich“ wird oft geradezu zum Schimpfwort. Um joldye Begtiffsbildung zu retten, denft man fi) dann jedes Individuum aus beiden Prinzipien „gemijcht“. Der unglüdlihe ©. Weininger!) machte daraus jogar zwei Subjtanzen und fam zur materialiftifch quantitativen Doritellung, die es ihm erlaubte, aus feiner privaten Struftur heraus dem Weiblihen alles Mindere zuzujprechen, ohne damit eine einzige reale Stau zu treffen. Die Unmöglichkeit feiner Konjtruftionen braucht nicht erjt widerlegt 3u werden.

Die jhwierig die ganze Stage it, jieht man etwa aus folgendem: der Gegenjaß des Männlichen und Weiblichen läkt fich jo weit ausdehnen, dak 3. B. übereinftimmend gewijje Sarben eindeutig dem Weiblichen zu-

1) Gejhleht und Charakter. Wien-Leipzig 1924 (bereits die 15. Auflage und 1932 gar als „Dolfsausgabe“ !) helmwig, Charatterologie 11