Charakterologie

178 Aus der mediziniihen Piychologie

2. Die Arten der Sejthaltung der Erlebnijje (Retentionsfäbigfeit).

Jit das Erlebnis, je nadı dem Grade der Eindrudsfähigfeit mit größerem oder Heinerem „Afzent“, ins Bewußtjein eingedrungen, jo wird jein weiteres Schidjal durdy die Retentionsfähigfeit bejtimmt. Kretihmer bejtimmt jie genauer als „Erhaltung an Doritellungen gebundener Affette oder affeftbetonter Dorjtellungen innerhalb des Seelenlebens“. In eine Stage überjett fönnte man etwa formulieren: Wie lange dauert die Wirfjamtfeit eines Erlebniffes in uns an? — Kretjchmer unterjcheidet dabei nod) zwei verjchiedene Aftarten, die dies Seithalten des Erlebnijjes leijten: die Sijtierung, die den jofortigen Wiederaustritt aus dem Seelenleben verhindert — wir fönnten bildlich überjegen: die Sähigfeit, ein Erlebnis überhaupt erjt einmal „einjchnappen“ zu lajjen; und zweitens die Erhaltung des Erlebnijjes als eines lebendigen Saftors innerhalb des Seelenlebens, was etwa der Art des „Aufbewahrens” entjpräche (aljo bejonders nahe Beziehung zu dem, was man Gedächtnis nennt: Gedächtnis nicht auf intelleftuelles Behalten eingejchränft, jondern Erlebnisgedächtnis, Erhalten der Wirkjamfeit des Erlebnifjes in uns).

Die Bedeutung diejes Saktors ijt ohne weiteres far: Starte Retentionsfähigfeit für niedere Erlebnilje erzeugt pofitiv den in allem Triebmäßigen „treuen“ Charafter, negativ ijt es die Grundlage zum langen Kerumtragen der Eindrüde in unferer Triebjphäre.

Retentionsfähigteit für höhere Erlebnijje formt den geiftigen Charakter. Neben dem Gedächtnis im üblichen Sinne gehört dahin alles, was 3. B. den Künjtler vom Eindrud her formt. Sein Stil wird fich jehr verjhiedenartig ausbilden, je nachdem, ob die Retentionsfähigfeit groß oder gering ilt.

Retentionsfähigfeit für allgemeine Eindrüde (allgemeine Interejjiertheit) ergibt im gejteigerten Sall den allgemein juggejtiblen Charafter.

Retentionsfähigteit fürichbezügliche Eindrüde ergibt, gejteigert, den lange an Kräntungen fich quälenden, überhaupt den lange „nachtragenden“ Charakter.

Es fommt aber bei allen diefen Sormen erjtens darauf an, ob die Ein=drudsfähigteit groß war. Es fan jemand geringe ichbezüglicye Einöruds= fähigfeit haben (aljo wenig „empfindlich“ jein), dennod) eine jtarte Retentions= fähigteit für die (wenigen) jein Ich betreffenden Eindrüde haben, — und join allem.

Zweitens entjcheidet für das Gejamtbild des Eharafters niemals eine diejer Sähigfeiten allein, nad ihrer Stärfe oder Shwäcde, jondern immer das Gejamtverhältnis zueinander. Wer jeine Erlebnijje gut „aufarbeitet“ (das heißt: organijch in Handlungen ableitet), bei dem wird eine lange und itarte Retention für id)= bezügliche Erlebnijje einen weniger empfindlichen Gejamttyp berausbilden, als eine geringere Retention bei jchlecht aufarbeitender Deranlagung.

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