Charakterologie

202 Ludwig Klages

nehmens oder eines bejtimmten Handelns) eine Einheit daritellt, nicht aber im Charafter. So fann 3. B. Pünktlichkeit, aber aud) Treue, Zuverläfjigfeit, Anhänglichkeit, Reölichkeit bei verjhiedenen Menjchen harafterlich auf jehr verjchiedener Unterlage ruhen. Sie jtellen darum „unedhte” Eigenihaften dar. Klages erläutert am Beijpiel der Anpajjungsgabe: jie fannı bei dem Einen aus Dorfjicht, Ehrgeiz, Gewandtheit und gejchmeidigen Umgangsformen entjtehen, beim Ändern auf Mangel an Ehrgeiz und großer Gutmütigfeit ruhen. Wir jehen davon ab, daß Klages hier die unechte Eigenjhaft wieder auf zum Teil jelbjt unehten Eigenihaften aufbaut (gejhmeidige Umgangsformen), — im übrigen muß man ihm jelbjtverltändlich zujtimmen. Aber man muß jekt doch weiterfragen: wenn die Derjchiedenheit der charafterlihen Unterlagen einer Eigenjchaft dieje als unedt entlarven joll — welche ijt dann nody et? Sür jede „EigenIhaft" lajjen fi) die verjchiedenjten charafterlichen Unterlagen finden, weil es eben alles in Wahrheit Typen find, und jeder Typ auf charatterlih fehr verjchiedene Art zufjtande fommen Tann. Klages zieht weder dieje Konjequenz, no prüft er überhaupt, ob nicht aud) feine vermeintlid) „echten“ Eigenjchaften von feinem jelbit aufgejtellten Kriterium getroffen werden.

Wenn man weiterforjcht, jo zeigt jich doch folgendes: Die meijten diejer jogenannten „Eigenjchaften” fönnen jowohl auf die Handlungsweilen eines Menjchen, wie auf jeinen Charakter angewendet werden (aus dem Wejen der Typenbegriffe ohne weiteres verjtändlich). Wenn wir jagen, jemand habe treu gehandelt, jo meinen wir, daß jein Handeln dem Typ des „treuen Handelns“ entjpricht. Sügen wir dann hinzu, er habe es aber nicht aus „wirklicher" Treue (jondern etwa aus purem Caoismus) getan, jo Iprechen wir feinem Charafter den Typ des treuen Charakters ab. Das zeigt aber |chon, daß es faljch ijt, Treue an ji) eine „unechte“ Eigenjchaft zu nennen. Es fommt eben darauf an, ob wir den Charakter oder die Handluna meinen, die jo ausjehen fann, „wie wenn“ jie aus einem treuen Charafter fäme. (In der Tabelle der Triebfedern erjheint übrigens audy unter A III die Eigenihaft „urjprüngliche Treue” !) Es gibt mehr „Eigenjchaften”, die jolhe Doppelanwendung zulajjen, als man denft. Aud) die von Klages als durchaus unecht bezeichnete der „Pünttlichteit” Täkt fich (neben der häufigiten Anwendung auf das äußerliche Derhalten) aud) charatterlic, veritehen. Es gibt durchaus eine Pünktlichkeit, in der fich eine tiefe charatterliche Haltung zu erfennen gibt.

Und wie ijt es mit dem Kriterium, daß Derjchiedenheit der charafterlichen Grundlagen eine Eigenjchaft zur unechten jtempeln joll, wenn wir unter

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