Charakterologie

Würdigung und Kritit 203

diefem Gefichtspunft nun aud) die „echten“ prüfen? Wir dürfen wohl den „Ehrgeiz“ als eine echte Eigenjchaft anjeben.t)

Nun kann jemand duch Jahre feines Lebens einen „Ehrgeiz“ zeigen, daß alle Welt ihm eben „viel Ehrgeiz“ zufpricht. Es war aber nur die Not jeiner Samilie, die er innig liebte, die ihn zu einem Handeln trieb, das wie Ehrgeiz ausjah. So fann ich aljo zunächit einmal aud) eine echte Eigenjchaft als in Wahrheit „unecht“ zeigen. Das würde Klages aud) licher zugeben. — Es läßt fi) aber audy weiter zeigen, daß fie au als echte auf verjhiedenen Grundlagen ruhen fann. Oder Tann Klages glauben, daß der Ehrgeiz Napoleons, Kleijts und Iwar Kreugers (drei typijch Ehrgeizige, bei denen wohl nicht zu zweifeln ift, daß ihr Ehrgeiz harafterlicher Akt it) auf gleiKen Charaftergrundlagen ruhte?

Aber unfer Einwand will ja nicht diefe Einteilung als jolde fritilieren. Er will zeigen, daß fi} von hier aus doch der Blid dafür öffnen muß, da es fi) um Typenbegriffe handelt. Es ijt ja genau die Grenze des Er= tenntniswertes der Typen, die fic) Hier zeigt; fie befagen nichts über die zuarumdeliegende Struktur, die beliebig vielfältig gedacht werden Tann, weil fie gar nicht in den Charafter hineinzielen, jondern ihn als ganzen mit aus= geprägten Typenpolen vergleichen. Die Klagesiche Unterjcheidung zeigt nur (vorausgejekt, daß man jie fortigiert), daß wir nahezu alle Typen entweder mehr auf die Handlungen oder mehr auf den Charakter gelten lajien fönnen. (Ob es mit allen jo ijt, müßte man rein quantitativ nadhprüfen. Wahricheinlid, liegt eine gradweije abnehmende Eignung vor, beitimmt feine reine Zweiteilung.) Die Klagesihe Einteilung erweilt, zu Ende gedacht, dak jede fogenannte „Eigenjchaft” auf verjdiedener charakterlicher Struktur ruhen fan, und das zeigt eben, daß es feine „echten“ Eigenjchaften jind, fondern wie wir meinen „Typen“.

Gibt es denn „die” Liebe, „die“ Herrihjucht, „den“ Eigenjinn als etwas derart maljio Identijches, dak die individuelle Tönung immer nur dur) die Kombinatorif mit andern (ebenjo „majjiven“) Identitäten zujtande Täme, dak an jich aber überall das Gleiche in den Charakteren vorhanden wäre? Kann Klages, der leidenjchaftliche Befämpfer jedes Gedanfens der Zujammenjetung der Seele aus Elementen, dies annehmen? Wenn nicht, welchen Sinn fan es dann haben, daß er einzelne bejtimmte „Eigenjchaften“ fritiich vornimmt und nur ihnen den Einheitscharafter im Sinne der „majjiven

1) £eider nennt Klages bei diejer Kritik feine echten. Da er aber in jeinen Analyfen oft mit dem „Ehrgeiz“ operiert, dürfen wir annehmen, daß er in ihm eine echte Eigenjhaft fieht. Wenn nicht, ließe das Entjprechende fich, wie man fich leiht überzeugen Tann, auch an jeder anderen „echten“ Eigenjchaft zeigen.