Charakterologie

208 Ludwig Klages

ihren richtigen Plaß rüdt und ihr den Sinn gibt, den fie allein erfüllen fann, beitehen.

Aus feiner phänomenologijcehen Methode erklärt jich aud) die große Lebensnähe mit ihrem bedeutenden Wert. Alle Phänomenologen wenden ji) dem zu, was in der Brechung mit dem Leben geitalthaft vor uns jteht. Alle betonen darum aud) die Sprache als Sundgrube von Wejenheiten. Und wie die ganze Phänomenologie als Bewegung den gegenjätlihen Rüdichlag zum Zeitalter der „Erklärungen“ daritellt, jo auch Klages. Er zeigt, wie durch Milhung verichiedener Gejtaltbilder neue Gejtaltbilder entiteben, er madt in meijterhafter Weije flar, was wir eigentlich mit diejem, was wir mit jenem Bilde des Charakters „meinen“. Aber wo er einmal anjekt, das Realverhältnis (etwa der drei „Zonen“ in uns) wirklich zu klären, da verläßt er jchnell dieje zu einer Jahlihhen Erflärung führende Unterjuchung, muß fie verlajjen, weil er ji im Grund ja gar nicht mit Realfaftoren beIchäftigt, jondern mit den Bildeinheiten, die uns das „lebendige Leben” prä= jentiert. Wer Realwiljenichaft treiben will, muß alle Bilder, die ihm die Sprache anbietet, abblenden. Er muß offenlajjen, ob überhaupt die Gliederung der Erjcheinungsbilder eine Entjprehung im jahlichen Realaufbau des Charakters hat. Was „Ehrgeiz“ als harafterlihe Realtendenz, nicht als Bildgejtalt (als Wejenheit) ijt, das läßt ji nicht aus den Merkmalen der Bildgeitalt der „Ehre“ und des „Geizes" entnehmen. Und auch nicht von noch jo vielen Sällen, die wir alle als Sälle „typijchen Ebrgeizes“ anjehen. Das größte Menjchentennertum, jolange es id) nur auf dieje Einheitsgejtalten in der Erlebnisihicht charafterliher Typen richtet, trägt ungeachtet aller Werte, die es font vermitteln Tann, zu einer wiljenjchaftlihen Erkenntnis der Kräfte im Charakter gar nichts bei. Es bleibt ein ewiges Um-Greifen, ein Umijpielen des ganzen Charatters mit Bildern, ein bejtenfalls immer fichereres Bezielen und Treffen durch Dergleichen des individuellen Ganzen mit allgemeinen befannten Typen. Den

Schritt von der Schicht der „Charakterbilder” in die reale Naturwirklichteit des Charakters hinein hat Klages nicht volbogen.

Jit er aber überhaupt volßiehbar? Da uns doc} immer nur die Brehung des Charakters am Leben gegeben ilt, da doc} die Typenbilder das Einzige jind, von dem wir ausgehen fönnen; — da wir doc) nicht wie die Medizin dieje Schicht der Erlebnisgejtalten einfach verlajjen und mit Seziermejjer und Experiment in die Natur hineinjteigen fönnen, — woher wäre denn die Hofinung auf eine Erforihung des „Inneren“ unabhängig von jeiner Aus= differenzierung in der Bilderjchicht zu holen?