Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation, стр. 92
spätesten Gedankengut Meister Eckharts gehören, und die seine Theologie und Spekulation in prägnanter Form zur Darstellung bringen. Es sind das die Predigten Pf. 40, 45, 90, 96, 74. Dazu kommt der Sapientiakommentar, dessen gesamter Lehrgehalt auf der absoluten Kontraponierung von Sein und Nichts beruht, von einer noch zu besprechenden Stelle abgesehen. Von den erwähnten traditionell gebundenen Texten aus ist das .religiös gewertete Nichts“ zwar bestimmbar, aber es ist nicht mehr konstitutiv, es ist lediglich eine scholastische Reminiscenz, die für Echart nicht mehr charakteristisch ist. Das unum purum nihil ist in der Tat ein religiöses Nichts, aber nicht in dem Sinn einer bloßen Herabwertung des Kreatürlichen, sondern in dem eminent positiven Sinn, daß durch diesen Begriff des reinen Nichts überhaupt erst ein reines religiöses Erleben möglich und als Reflexion darüber eine wissenschaftliche Theologie möglich und konstituierbar wird, denn erst auf Grund des reinen Nichts kann die religiöse Gegenständlidhkeit: „Welt“ zur Bestimmung kommen. Nur auf dem Wege über das reine Nichts wird im wahren Sinne erst die Welt gewonnen. Das nur relative Nichts entspricht dem weltentsagenden und weltverachtenden Geist des Asketen, das reine Nichts paradoxerweise dem total weltzugewandten homo religiosus. Eckharts „Erkenntnistheorie” (Karrer) spricht ihrer Tendenz nach durchaus nicht von einem „realen Etwas der Dinge“, daneben die Dinge in einer religiös-asketischen Haltung als Nichts gewertet würden. Karrer verzerrt das Bild von Ec&harts Spekulation völlig, wenn er schreibt M. E. 298: „Als Philosoph hat Eckhart die Wirklichkeit kreatürlichen Seins mit keinem Wort bezweifelt oder angetastet, vielmehr an zahlreichen Stellen das metaphysische Sein der Kreatur als Schattensein, als Mittleres zwischen dem absoluten Sein und dem absoluten Nichts bejaht.“ Solche Stellen sind vorhanden und Karrer führt eine sehr charakteristische dafür an M. E. 299: Jpsum universim, ens omne, sit quasi medium inter Deum et nihil. Ebenso weist Koch (Theol. u. Glaube 1928 p. 186) auf eine Stelle im Sapientiakommentar hin, wo Eckhart das non — ens dem Begriff des Schattenseins (umbra entis) nebenordnet (III 551, 10). Diese Terminologie hat eine alte Tradition hinter sich (cf. Thery III 551 n. 4), und Eckhart ist ihr auch unterworfen. Aber dieser Gedankenkreis ist für seine Spekulation nicht richtunggebend und wirkt in seinem Lehrganzen wie etwas Heterogenes, wie eine Schranke. Zum Beweis für Eckharts Festhalten am „realen Etwas“, am „mittleren Schattensein“ führt Karrer u. a. Texte an, die rein aus einer idealistischen
78