Der Künstler zwischen Westen und Osten

U:

Der Weg des Dichters 259

Undinen, im wässerigen Gebiete. Hier lernen wir die Oden. s

In den Blüten beginnen Töne aufzuleuchten. Bald ein A, bald ein O, bald ein I, reinste Vokalmusik. Sylphen singen Liebeslieder.

Was aber ruht im Samen? — Das Gebet. Dieses ist am schwersten zu erlernen. Es wird von den Salamandern gehütet und ist nur den stillsten, reifsten, heiligsten Seelen zugänglich. Im Weizenkorn hat Christus das Gleichnis seines eigenen Wesens gedichtet: Sein Leib ist unser Brot.

Indem sich der Mensch in das Wurzeln, Keimen, Wachsen, Blühen und Fruchten versenkt, bekommt er ein Gefühl für Strophe, Rhythmus, Laut und wesenhaftes Leben des Gedichtes. Sphärenmusik fließt in ihn ein und verleiht ihm das richtige Versmaß. Vokale und Konsonanten werden ihm Mittel, um mit Gnomen, Undinen, Sylphen und Salamandern zu verkehren.

Der Dichter, der sich dergestalt in das Pflanzentum vertieft, wird eine Verwandlung in sich selber entdecken. Er spürt, wie er beweglicher wird, wenn er wechselweise bald im Netz der Wurzeln hängt und bald im Kelch der Blüte sitzt. Er fühlt ein bisher unbekanntes Seelenregen.

Das tritt ihm besonders beim Einschlafen und Aufwachen entgegen. Legt er sich abends zur Ruhe und überschaut dabei mit inniglich beruhigtem Gemüte seine Seele, so ist ihm, als keime etwas in ihm auf, je näher er dem Schlafe kommt. Er schlummert in einen

Geistesfrühling hinein. Er wacht zum Paradiestraume 17%