Der Künstler zwischen Westen und Osten
262 Der Weg des Dichters
Um festen Grund zu bekommen, müssen wir den Schritt ins irdisch-physische Reich vollführen. Wir müssen die Sinne und den an sie gebundenen Verstand benutzen lernen. Wir müssen das Stoffliche studieren. Das Mineral werde unser Lehrer.
Vorher aber sei eine Anekdote, die in jenem Zwischenreiche ihren Ursprung hat, berichtet. Sie ist alten Annalen nacherzählt.
Merkwürdige Begebenheit
Südlich vom Waldgebirge, am steinigen Abhang, liegen zwei Dörfer, das eine sauber und nett, in Obstbaumgärten gebettet, das andere wüst und verwildert, von Sauerampferwiesen umgeben, obschon der Boden — gelber Kalk — derselbe ist und über beiden Ortschaften die gleiche Sonne scheint. Aber die Bewohner sind verschieden. Hier sprechen sie ein melodisches Deutsch, dort ein kreischendes Rotwelsch. Hier grüßen sie mit freundlichem Zuruf, dort schreien sie den Fremdlingen Schimpfworte nach. Hier gehen die Frauen zierlich und die Männer kraftgetragen, dori liegt Feigheit und Frechheit im schlampigen Gange. Sieht man in dem ersten Dorfe eine Menschengruppe beisammen, so spürt man sogleich das Band der Liebe. Alle könnten sich plötzlich die Hände geben und im Reigen durch die Gasse schreiten. Aber in jenem Dorf: Stehen da sich zweie gegenüber, so kann man sicher sein, daß eine Schurkerei geplant wird. Zu sagen wäre noch, daß aus dem ersten Dorfe einige berühmte Männer und aus dem anderen mehrere berüchtigte Verbrecher hervorgegangen sind.