Der Künstler zwischen Westen und Osten
‘Der Weg des Dichters 269
Forscht man dem Warum nach, so kommt man darauf, daß in dieser Gegend vor ungefähr hundert Jahren der Pfarrer Oberlin wirkte, der eine seltene und seltsame Einsicht in die Menschenseelen und das Naturwalten besaß. „Ganze Nächte,“ so schreibt ein Biograph von ihm, „seufzte er wegen der Fehler seiner Gemeinde.‘ Wenn aber die Mitglieder derselben zu ihm kamen und um Rat wegen ihrer häuslichen Angelegenheiten fragten, so pflegte er keineswegs Moralpredigten vom Zaune zu reißen, sondern er wich eher aus und begann von Landwirtschaft zu sprechen. Die Leute hörten gerne zu, denn sie wußten, daß seine Vorschläge batteten. Sie bekamen Vertrauen; sie sahen, daß er wußte, wo beten nichts nützte, sondern Mist heran mußte. Das hinderte nicht, daß er die Namen der Dorfbewohner vorne in die Bibel eingetragen hatte, um jedesmal, wenn er den Deckel aufschlug, an sie eIinnert zu werden. Jener Biograph berichtet ferner, daß Oberlin in die Seelen der Abgeschiedenen zu schauen vermochte. Es gibt genugsam Beweise, daß der wunderbare Weise dabei in „längst verschollene Geschichten und Familienverhältnisse eingeweiht wurde”.
Nun hatte Oberlin, um mehr des Merkwürdigen zu erzählen, für den Religionsunterricht, den er jedem, der danach begehrte, zuteil werden ließ, einen Plan nach dem Muster einer Landkarte verfertigt, mit verschiedenen Farben und Linien, worauf er die Wege der Seelen, welche den Leib verlassen, in Bildern zeigen wollte. Da war eine gelbgraue Wüste als Aufenthalt verödeter Denker; da eine Ruine voller Ratten