Die Französische Revolution
4 Erſtes Kapitel.
Wenn Machiavelli gelehrt hat, nur das Staatsintereſſe dürſe einem Staatsmanne einzige Richtſchnur ſein, ſo iſt Richelieu ein Mann nah dem Herzen des großen Jtalieners geweſen; denn gewundene Wege mußte er gehen, um wieder Frankreich zum erſten Staat in der Welt zu machen "), immer unter Betonung der göttlichen Abkunſft ſeines Königs. Aber in der Frage der inneren Politik ließ er ſeinem Nachfolger Mazarin und Ludwig XIV. noch recht viel zu tun übrig.
An der alten Geſchichte kann man am eheſten die Beobachtung machen, wie leiſtungsfähig abſolute Monarchien ſind, unter der Vorausſebung, daß ein Kopf erſten Ranges an ihrer Spigze ſteht; denn die Errungenſchaften eines Cyrus, Alexanders oder vieler römiſchen Kaiſer bilden Markſteine der Weltgeſchichte. Solch ein Genie war auch Ludwig XIV. Wir wollen ſeine Kriegslaufbahn nicht durchgehen oder ſeine äußeren Erfolge einzeln herzählen; aber, obgleih auh er vergeblih nah der Kaiſerkrone getrachtet hat, der Friede zu Nymwegen 1678 hatte Europa gezeigt, daß der Kaiſer von Deutſchland, die Könige von England und Spanien ſi<h vor dem ſtolzen Worte des Bourbonenkönigs beugten, eine Tatſache, die ſpäter durch die Gemälde des Siegespalaſtes zu Verſailles den Beſchauern beſonders deutlich wurde. Daher konnte man von ſeiner Herrſchaft als von einem „arbitrium rerum in Europa“ ſprechen; daher konnte Leibniz in ihm den Herrn einer Univerſalmonarchie erblicen ?), und deutſche Kurfürſten glaubten, „allein der allerchriſtliche König ſei fähig, dem Reich ſeinen alten Glanz wiederzugeben“ ®). Nehmen wir noch dazu, daß Ludwig der Begründer des franzöſiſchen Kolonialreichs, welches z. B. in Amerika Louiſiana und Kanada umfaßte, alſo ganz den engliſchen Beſitz einſchloß — „nur das Meer kann wahre Weltmächte erziehen“ *) — war, ſo können wir Leibniz Urteil nur beſtätigen; und mit der weltlichen Macht vereinigte er ſeit 1682 eine gewiſſe geiſtliche, inſofern als damals die gallifaniſchen Kirchenfreiheiten von neuem feſtgelegt wurden. Aber der Unerſättliche mußte noh den Niedergang Frankreichs erleben. Schon hatte der Friede zu Ryswyk 1697 Ludwig die Lorbeeren, die er er-
1) v. Ranke, Franzöſiſche Geſchichte, Bd. II, S. 549.
2) Erdmannsdörffer, Deutſche Geſchichte vom Weſtfäliſchen Frieden bis zum Regierungsantritt Friedrihs des Großen (Berlin 1892— 1893), Bd. I, S. 647.
3) v. Ranke, Sämtliche Werke, Bd. XXIV, S. 11 und Erdmannsdörffer a. a. O. S. 653.
4) Ratzel, Das Meer (München 1900).