Die Französische Revolution
10 Erſtes Kapitel.
hat Frankreich viel Geld gekoſtet und nur die Schuldenlaſt gehäuft. Die Staatskaſſe wird no< durch Penſionen, welche die Regierung an fremde Fürſten, aber auch an einheimiſche Große bezahlt, ins Ungemeſſene belaſtet; hier ſei bemerkt, daß Schweden z. B. ſi faſt andauernd ſeit NRichelieus Zeiten im Solde Frankreichs befunden hat und daß im Jahre 1772 für Guſtav TI. 1% Millionen Livres zur Tilgung der Schulden bezahlt worden ſind, nur damit ſeine Politik ſich im Fahrwaſſer der franzöſiſchen bewegte. Noch ein anderes Gebrechen am Staate Ludwigs XV. erkennt der Venezianer. Dieſer König, der ſeit Fleurys Tode ſelbſtändig regierte, hatte bei weitem niht das Geniale ſeines Urgroßvaters, und wenn oben geſagt worden war, daß abſolute Monarchien, geleitet von Köpfen erſten Ranges, in ihren Erfolgen oft einzigartig ſind, ſo fann eine ſolche Regierungsform ebenſo gefährlich für ein Land werden, wenn ihm nur unbedeutende Geiſter vorſtehen. Nicht als ob jener Ludwig ganz ohne Gaben, ohne Sympathie bei ſeinen Untertanen geweſen wäre — dafür find ja die Ovationen bei ſeiner Wiedergeneſung 1744 ein beredtes Zeugnis —, aber die wenigen guten Eigenſchaften wurden bald völlig von ſeiner Schwäche überwuchert *). So fam es, daß er die Miniſter immer ſeltener zur Beratung um ſich verſammelte ?) und daß ſeine Kabinettsregierung ?) den privaten Intereſſen gewiſſer Kreiſe Tür und Tor öffnete. Die Bureaufratie ?) wurde immer mächtiger, und während in Preußen ſchon längſt ein tüchtiger, ehrlicher Beamtenſtand ins Leben gerufen worden war 4), nahm hier die Beſtechlichkeit der Beamten zu, und ſehr wurde an dem Wohle des Volkes von oben her geſündigt. Derartig falſh ſchien der Fürſt unſerm Venezianer zu regieren, daß dieſer ſhon 1752 die Revolution ankündigt; 1753 prophezeit ein anderer Politiker, der Lord Cheſterfield, dasſelbe. Wir dürfen nicht vergeſſen, daß ſeit mehreren Jahrzehnten Handel und Induſtrie cinen gewaltigen Aufſchwung genommen hatten, und daß das Bürgertum in dem Maße, wie es im allgemeinen wohlhabender wurde, auch eine weitgehende Selbſtverwaltung
1) Sepet, Les préliminaires de la Révolution (= 1. Band ſeines Werkes über die Revolution) (Paris 1890), S. 61. 75.
2) Ebenda S. 78.
3) Koh a. a. O. Bd. I, S. 155 und Bd. II, S. 15. Dabei handelten die Miniſter oft deſpotiſ<. Siehe Hinte in Sybels H. Z., Bd. C.
4) S<moller, Der deutſche Beamtenſtaat des 16. bis 18. Jahrhunderts im Jahrbuch für Geſetzgebung uud Verwaltung (1894), Bd. XVIII, S. 695 ff.