Die Französische Revolution

TT. Die Memoiren von Ne>er, Barentin und St. Prieſt. 167

rüſihtigen, wenn wir ſeine Ausſagen durchgehen. Schon die Ereigniſſe im Dezember 1788, die ſih am Königshofe zutrugen, erzählt er ſehr oberflächlich *); und unerwartete Erörterungen ſind dort nicht gepflogen worden. Gar nichts hören wir von den Ränken, die im Frühjahr 1789 gegen Ne>er hinter den Kuliſſen geſponnen wurden, und dieſer hat doh in ſeinen Schriften die Hofpartei geheimer Anſchläge angeklagt. Auf dieſen Vorwurf bleibt alſo Barentin die Antwort ſchuldig. Döllinger hat bei Gelegenheit der Beſprechung, die er den Apologien Nogarets, Philipps TV. Großſiegelbewahrers alſo eines Amtsvorgängers unſeres Autors — widmete, geſagt, daß, wenn ſih jemand im Ernſt verſchiedener Angriffe zu erwehren ſucht, er unbedingt mit der Wahrheit hervortreten muß, um die Wirkung ſeiner Darlegungen nicht abzuſhwächen. Und hier? — Noch eine andere Schuld hat Barentin auf ſih geladen: die kigliche Frage nah der Auflöſung der Reichsſtände erwähnt er mit keiner Silbe. Es würde daraus zu folgern ſein, daß ſeinen Angaben unter Abrechnung der oben erwähnten Tendenz nur inſofern Glauben zu ſchenken iſt, als er kein Intereſſe daran hat, einzelne Momente in ihrer Richtigfeit zu verſhweigen. Aber wenn es nur das allein wäre! Obwohl ihm, wie oben dargelegt, handſchriftliches Material ?) und ſonſtige Dokumente zu Gebote ſtehen, zeigt er ſih z. B. über die Sizungen des Staatsrats, die ſi<h an die Erklärung als Nationalverſammlung anknüpften, nicht genau unterrichtet: er leugnet die Exiſtenz von „comités réguliers“, wirft die Daten der einzelnen offiziellen Zuſammenkünfte durcheinander, und eine Entſtellung reiht ſih an die andere.

Jm ganzen! Das Buch iſt nicht unwichtig als Stimmungsbild ; denn es zeigt, wie es in den Köpfen der Hofpartei ausgeſehen hat, und verbreitet über die politiſhen Anſchauungen der Privilegierten Licht. Jm übrigen ſind einer leitenden Tendenz zuliebe viele Vorgänge entweder verzerrt oder überhaupt nicht erzählt worden. An dieſem harten Urteil kann auh der Umſtand nichts ändern, daß ſogar ein Mitglied der Königsfamilie auf Genauigkeit der Angaben gehalten hat; aber dieſes war Parteigenoſſe Barentins. Alſo iſ auf dieſes Buch kein großer

1) S. 68, 6 und 71.

2) Dazu gehören auh feine beiden Brief<hen an den König, die oben herangezogen ſind. Aus einer Bemerkung auf S. 204 ſeines Werkes ließe ſi< überhaupt der Schluß ziehen, daß er bei ſeinen Zitaten alte Notizen vor ſi< hat.