Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

.

1A : : > gleich die Anzahl und die Keimkrait ihrer Kerne und mithin die Möglichkeit, sich fortzupilanzen.....

Warum graut es Dich, in den Mond zu sehen? Warum ist sein Licht so frostig, blau und kalt? Darum allein, weil er keine Wolken und keine Hüllen hat. So aber sind alle Schatten, Irrtümer und Sünden zum Wachstum des Menschen ebenso notwendig wie das klare Licht der Wahrheit, des Rechtes und der Sittlichkeit. Vielleicht ist Einblendung, Täuschung, Wahnund Traumkrait: der Hafen, darinnen einzig wir Menschen Wärme finden und Ruhe; darinnen einzig wir wachsen können, atmen und gedeihen. —

An einem schönen Herbsttage durch den Wald von Fontainebleau wandernd, bewunderte ich die verbrannten, vereilbten und verwelkten Farben des in Frankreich so zeitig absterbenden Laubes; aber dachte bei mir leise: Tiefer verbrannt ist der lateinische Wald, weil er voller geflammt hat, maßloser hinschenkend und saftiger, als je der deutsche Wald das ver"möchte. Aber spiegelt nicht die schwerfällig kargende Entwicklung deutscher Landschaft das Los unsrer schweren und langsam begreifenden Geschlechter ? Auf einen zu matten Frühling, in welchem Buschwindröschen und Weidenkätzchen "schmal und züchtig blühn, auf einen Frühling von der Farbe des blassen Spinats und der unreifen jungen Spargelköpie, auf solchen hartmäuligen Frühling folgt ein zögerndes regenreiches Mitjahr, nie voll schenkend, nie recht überquellend, nie bacchantisch. Aber dann endlich im Herbst, wenn der Wald des Siidens schon seine Gluten verschüttet hat, da beginnt der deutsche Wald zu brennen, in all den tausend Farben von der Palette Gottes: rot wie unser Blut; braun wie unser Brot; hell und goldhaarig wie unsere Kinder. Dann blüht vor Sterben wohl noch ’einmal die Birke, der zäheste Baum wie der zarteste, der das zierlichste Laub, den verletzlichsten Bast, die empiindsamste Borke hat, aber in jedem deutschen Schutt- und Trümmerhaufen doch noch Wurzel schlägt. Da zeigen im Verwelken noch einmal ihre ganze Kraft die mütterliche gute Buche; schützend, nährend, schattend ... .. die harte, kantige Eiche; ebenso stark, als leicht zu überwachsen und zu erdrücken (wie alles Vornehme)....; und der Baum des deutschen Südens: die breite behäbige Linde, der Liebenden Baum, auf den Dorfplätzen und alten Burghöfen ... ., alle diese deutschen Bäume stehen im Entblättern nicht da, so verrostet und überstaubt, wie die stolzen Palmen und festlichen Cypressen süd-