Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

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- wohnen, ‘so beansprucht iede dieser Familien ein eigenes Badezimmer und wäre empört, würde ihr zugemutet (wie es in Japan und China täglich geschieht) mit den Nachbarn zusammen zu baden. (Lieber badet man überhaupt nicht.) _ Theoretisch zwar sieht man ein, daß sich weit schönere, billigere Häuser bauen ließen, könnte man statt zwanzig Einzelbadezimmer eine luitige Erholungs- und Badehalle für alle Bewohner einbauen; aber wo bliebe ‚die berechtigte Eigentümlichkeit und persönliche Freiheit eines gemütlichen Familienlebens?‘ — Wenn in einer Mietskaserne der Stadt Tripstrill fünfzig Familien häringgleich zusammengepökelt hausen, dann bezieht _ jede dieser Familie zwei Mal am Tage je ein Exemplar des die tägliche ‚Weltanschauung‘ übermittelnden „Tripstriller Volkswillens‘. — Sie begreifen theoretisch recht wohl, daß sie für senau das selbe Geld statt der fünizig Einzelstücke des ‚Tripstriller Volkswillens’ auch täglich fünfzig verschiedene Zeitungen einsehen könnten, wofern ihr Gemeinsinn stark genug wäre, sich zu solchem Zwecke zusammenzuschließen; aber keiner liebt, keiner kümmert sich um den andern; keiner übt die mindeste Rücksicht oder Güte. Der abendländische kaukasische Mensch besitzt die herrlichsten kommunistischen Theorien und Sittenlehren. Aber er selber ist der unsozialste, und das will besagen, der unerzogenste Mensch der Erde. Mundertmal lieber opiert er sein Selbst und seine Freiheit, wenn er nur Willkür und Laune seines Ich retten kann. — Man . betrachte ein anderes sinnfälliges Beispiel: Wir vermögen mit einer kraitsparenden Arbeitsmaschine in wenigen Minuten beliebig viele Teller, Tassen und Geschirre selbsttätig zu spülen, zu reinigen und zu trocknen. Vierzig Millionen deutscher Hausmütter opfern täglich eine Stunde Lebens für diese geistmordende, ganz überflüssige Arbeit. Wenn im Sommer die begüterten, begünstigten Bevölkerungsschichten sich erholen yon allem Ungemütlichem der Gemütlichkeit, dann bieten dar Luxusgasthäuser, Heilstätten, Modebäder alle die Formen vereinheitlichter Wirtschaft, welche man im Alltage schmäht und verschmäht. Und merkwürdig! Auf einmal fügt man sich! Freilich nicht zu eigenstem Vorteil, sondern zum Vorteil eines pfittigen, von der Dummheit der Welt lebenden Unternehmertums. — Unser ganzes Alltagsleben zeigt diese Art Widersinn! Mit ungeheuren Opfern durch ihm gar nicht bewußte und schließlich unübersehbare mittelbare Steuern bezieht der kleine Mann seinen Reis und Gries, Zucker und Kaffee, tütchenweise beim

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