Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Zufällige Lebensbilder? Gewiß! Aber blickt einmal genau in Europas Antlitz, in das Antlitz Asiens. Merkt ihr nicht, daß Wonne und Leid des Lebens gelenkt wird von ganz anderen Gewalten als von unsern Stubengeistern der Philosophie?

Müßten wir nicht von rechtswegen in Europa die glücklichsten aller Geschöpfe sein? Wo wird so viel am Glücke der Erde gearbeitet? wo so viel Fortschrittsbegeisterung und Entwicklungswille verstreut? wo so viel geredet von Freude, Tat, Bejahung, Eriösung und Verinnerlichung? wo so viel erzogen, - Seele gebessert, Menschheit belehrt, Welt erneuert, Volk auigeklärt, Zukunft verkündet? Und doch! wohin man blickt sieht man in unfrohe Gesichter. Wohin man horcht, hört man Worte der Abgunst und Verneinung. Und wohin immer wir unsre Tatfähigkeit und Wirtschaftlichkeit tragen, unsre Predigt der Menschenherrlichkeit und _Selbstgesetzgebung - verbreiten, überall haben wir die einfachen Kinder der Erde kreuzunglücklich gemacht, heimatlos und völlig verwirrt und haben alle freie Wachstumsgewalt unterbunden, alle und zuletzt sogar unsre eigene. Dagegen braucht man nur zu blicken in das selige Antlitz asiatischer Glaubenshelden, die mit der Welt abgeschlossen haben und nichts mehr von ihr wollen, braucht nur zu beobachten diese stillen einfachen Menschen des Morgenlandes, wie sie bescheiden ihre Gärten und Felder bauen, auf den Gräbern ihrer Ahnen die Kinder lehren, eingeschlungen in das weise Weben des Pan — man braucht nur in das Antlitz eines Buddha zu blicken um zu begreifen, daß grade die wirklichkeitsabgewandte Jenseitslehre doch zuweilen vermocht hat die Schlangen des Menschenherzens zur Ruhe zu bringen und das _ Glück der Bescheidung zu pflanzen als das einzige, das auf der Erde uns blühen kann. Diese weltabgewandten Gesichte haben doch hie und da einmal hintangehalten die immer alten immer neuen aussichtslosen Ausbrüche gehäuften Machtwillens und sehäufter Selbstgerechtigkeit, die, ein nie endender Ozean von Blut, Tränen, Schweiß, Galle, das uferlose Becken der Geschichte füllen. Darum hat der letzte Weltweise, den Deutschland besessen hat, Eduard v. Hartmann vielleicht Recht gehabt, als er sagte: „Wer glückliche nee sehen will, muß zu den - Pessimisten gehn“.

Ich habe auf diesen Blättern klagen und anklagen müssen wider Europa-Amerikas Technik, Wirtschaft, Etik und Logik. Nunmehr aber will ich versuchen, Wege zu weisen, welche