Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

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„Faust und „Wilhelm Meister“, daß die höchste Reife zuletzt wieder enden müsse beim Ganznahem, Nützlichstem, Aller‚einfachstem, beim Gebot der Stunde und der Forderung des Augenblicks; gleich wie Simon bar Jochai so lange dem Schauen Gottes leben mußte, bis er fähig ward, das ihm Feindliche zu segnen; den Bau von Maschinen und die Verbesserung des Geldwesens, die Arbeit im Joch und das Werk derWaiiten.*) Ö. > = ‚Mittel gibts auf Erden gegen alle Pein, . Laßt uns besser werden, gleich wirds besser sein.“ Geseizt, die Entwicklung der europäischen Kulturwelt führe unausbleiblich zu jenem Zustand, welchen Nietzsche als das Reich der letzten Menschen schildert:

„Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben, denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm, denn man braucht Wärme. Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorst, daß die Unterhaltung nicht angreife. Man wird nicht mehr arm und reich, Beides ist zu beschwerlich. Wer- will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich. Kein Hirt und Eine Herde. Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich, wer anders fühlt, geht freiwillig ins [rrenhaus. „Wir haben das Glück eriunden“ sagen die letzten Menschen und blinzeln.“

Was: wohl ließe sich daran ändern? Nur weltiremder Wahn kann auf Auswege verfallen wie E. v. Hartmanns ganz sachlich denkende Welterlösungslehre, welche für wahrscheinlich hält, daß die Menschheit am Ende ihres „Kulturprozesses“ reifen werde zur Erkenntniß der illusionären Natur ihres Lebens, ja, am Ende den Erdstern und sich selber freiwillig mittelst Dynamit in die Luft sprengen werde. — Es ist vollkommen undenkbar, daß jemals das Lebende als Gesamtheit im stande sein wird, sich selber zumegieren. (Vielleicht ist das der Grund, weswegen so lange die Erde besteht, Völkerkriege unvermeidlich bleiben werden.) Es ist unbestreitbar, daß eine so beschaffene Welt besser gar nicht wäre. Aber es ist ebenso unbestreitbar, daß ihre „Aufhebung in absoluto“ unmöglich ist. Hinter allen Erlösungslehren (auch hinter der Eschatologie des Christentums und dem Nirvana des Buddhismus) brennt der Glückselierkeitswille des Lebendigen. Auch die

*) S,0.S.284.— — Man sast: Hamlet ist zu sehr Philosoph um noch handeln zu können. Es wäre richtiger zu sagen, er ist:noch nicht Philosoph genug, um einzusehen, daß man Scheuklappen tragen, sich beschränken, mit Bewußtsein auf einer gewissen Stufe stehen bleiben und — „right or wrong my country“. — Ja sagen muß. Wer das nicht kann, mag gerecht sein, edel und sachlich; aber er geht zu grunde.