Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Vollendung alles Erdenlebens im Geiste (le fin du monde par la science) würde doch nicht die zeugende Gewalt selber ver-

nichten und selbst die Entropie unsres ganzen Sonnensystems würde innerhalb des Wandellosen gar nichts bedeuten. —

Wir müssen schaudern vor diesem Kreislauf des Mordens. Ändern können wir nichts daran. Aber selbst die schlechthin grauenhaiteste aller Wahrheiten, iene Erkenntniß, an welcher Nietzsches Geist wie seine ganze Umwertung' aller Werte zerschellte, die alle Erlösung und Auflösung, Ziele und Fortschritte als sinnlos erweisende Erkenntniß der „Ewigkeit des Ge-

“gebenen“ läßt noch folgenden Gedanken offen:

Wofern der Mensch nicht überhaupt darauf verzichtet, den Sieg seines Lebens auf Kosten alles anderen Lebens der Erde zu rechtfertigen, kann er gar nicht anders als das sinnlose Überleben der jeweils Stärkeren umwandeln in einen Sieg des höheren und sich selber wertvolleren Lebens. Wenn aber der wertende Mensch bereit ist, sich selber zu opfern, falls allein durch dieses Opfer Gestalt werden kann ein Wesen, welches zöttlicher ist als er selber, (denn so sinnlos es ist, daß sich ein Gott für den Menschen opfert, so sinnvoll wäre es, wenn der Mensch sich opfert um der Gottwerdung willen), so könnte man wohl den ungeheuren Gedanken denken, ‚daß die ganze außermenschliche Welt am Menschen sterben w olle, insofern sie als Mensch in ein höheres Leben eintreten kann. Jedenfalls bleibt angesichts der grausigen Erkenntniß, daß wir Menschen auf Kosten der ganzen Erde überleben werden, wohl kein anderer Ausgleich, als nun auch so stark und groß uns zu vollenden als unsrer Art nach es irgend möglich ist.

4.

„© meine Brüder, es gibt viele Meere die noch keiner befuhr.“ 2

Nietzsche.

Ein dunkel verschwebender Gedanke hat während der Arbeit an diesem Buche mich nicht los gelassen. Ich versuche durch ein sinnfälliges Beispiel ihn auf den Leser zu übertragen. Wir leben in einem undankbaren wolkenverhangenem Land. Haide. Birke. Kartoffeläcker. Rübenfelder. Das lange Jahr hindurch Nässe, Kälte und Dunkel. Gern träumt sich Sehnsucht in blaue Ferne. Aber dann kommt eine helläugige Stunde und erschließt in der ödesten Arbeit auf eintönigem Acker Farben der Luft, Wechselformen der Wolken, Reichtum an Gesteinen, verborgenes Tier- und Pflanzenleben, daß der