Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

armer oder gar völlig viehloser Landwirtschaft (die in China und Japan durch 3000 Jahre bestanden hat) unmittelbar aus dem nur menschlicher Ernährung dienendem Boden erzielen könnten. Bloß vom Ernährungsgesichtspunkte aus gibt das Tier nicht entfernt zurück, was wir in seine Aufzucht an Arbeit und Nahrung hineinstecken. Oder anders gesagt: der Genuß des Fleisches und der tierischen Erzeugnisse ist volkswirtschaftlich teurer als Pilanzen- und Rohkost und nicht zu empiehlen in Elendszeiten. (Dabei ist auch zu beachten die unwirtschaftliche Vergeudung der Abiallstoffe; während die ostasiatische Wirtschaft z. B. menschliche Faekalien gewissenhaft vernutzt.)

Man beginnt an dem vielgeschmähtem ‚Intellektualismus‘ des Abendlandes zu zweifeln, wenn man sieht, daß in Landschaften, deren Menschen mangels Brotfrucht hungern, gleichzeitig Millionen Tonnen Gerste zum Brauen von Bier oder Millionen Zentner Kartoffeln für Schnaps und Fusel verarbeitet oder weite Flächen mit Taback oder andern Bedürfnissen des Überflusses bestellt werden. Während Europas Länder unfähig geworden sind, sich ohne Einfuhrgüter als geschlossene Landschaften zu ernähren, zeigen sie in beständiger Mehrung des Werktums und Kapitals sich doch befähigt, Milliarden in den Säckel Einzelner fließen zu lassen, indem der Bauer nicht das pflanzt, was die verhungernde Masse nötig hat, sondern Das, womit die nicht verhungernde am meisten verdient.

Im letzten Monat (März 1922) erteilte die Stadt Berlin ungefähr 600 Schankerlaubnisse an Bier-Schnaps-Brantweinkneipen, neue Likörstuben, Kinos, Kabaretts und ähnliche Freudenstätten; konnte aber für 600 000 unterernährte Kinder kein Brot mehr schaffen.

Wir entnehmen’ einer Statistik, daß gegenwärtig auf den Straßenpflastern Berlins allabendlich ungefähr 60 000 Mädchen und Frauen ihre Leiber zu Markte tragen; einer andern Statistik, daß ungefähr jeder siebente Mensch Europas geschlechtskrank ist. In der ersten Jahreshälite 1922, vom 1. Januar bis 1. Juni, hat der deutsche Außenhandel für 130 Milliarden Mark Ware ausgeführt, für 142 Milliarden Mark eingeführt. Unter den vom Auslande erworbenen Waren befinden sich für 252 Millionen Sprit, für 272 Millionen Trinkbrantwein und Liköre, für 73 Millionen Zigaretten, für 212 Millionen Eier für Conditorware, für 3 Milliarden Tabak. Die deutsche Mark hat