Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit
Gewalten. Das miterlebende Ahmen von Gegenwelt einzig als Bild und durch Gestalt hindurch, das heißt: durch Mitahmenalles Wachstums, läßt immer noch den Menschen unbewußt das, Wesen aller Umwelt als sein eigenstes Wesen verspüren. So erscheint dem ganz jiungem Kinde — (und wir zehren alle lebenslänglich von Träumen der Kindheit) — die Welt, welche es noch nicht objektiv wahr-nimmt, als ein Stück seines eigenen Lebens. Oder anders gesagt: das eigene Leben fließt unentiremdet, unabgelöst hinein und hinüber in eine Welt, die erst mit wachsender Entiremdung und Entnüchterung ‚objektiv‘ wird und damit von der Seele sich abzulösen beginnt. Wir schritten als bewußte Geister abseits zeugender Gewalt überall dort, wo diese uns feindlich, wir aber übermächtigen-wollend einer Natur gegenüber traten. Eben darum wurde unser Leben im Norden sachlich mittelbar. — —
Der erste große Logiker der englisch sprechenden Menschheit, Thomas Hobbes, hat das denkwürdige Wort geprägt: Wissen ist Rechnen in Worten! Dies ist zweifellos richtig für das Abendland. Ursprünglich aber bedeutete das Wort Wissen (voir, veda) nichts Anders als Schau, Gesicht oder Bild. Im Abendlande jedoch hat das hinweisende (signifikative, deiktische, intentionale) Denken die bildhaft symbolische Natur aller Sprache, aller Musik, aller Bildkunst überwuchert und verdrängt. . f
Der erste große Eike der englisch sprechenden Menschheit, John Locke, fügte dem Worte des Hobbes ein anderes denkwürdiges Wort hinzu: ‚Das Weltgebäude unsrer Gedanken ist gekittet mit moralischem Kitt‘. Auch das ist zweifellos nur richtig für das Abendland. (Statt des Wortes Kitt möchte man manchmal ‚Kitsch‘ lesen!) ..... Nun aber frage man sich doch: Warum sollte denn unsre ‚Welt‘ (‚das Weltgebäude unsrer Gedanken‘) schlechthin das Lebendige sein? Wer sagt uns denn, daß das Lebenselement ein Gebäude, ein ‚Kosmos‘ ist? Das alles liegt ja nur so für unser waches Bewußtsein. Jenseits des Wachbewußtseins aber wird alles Sinnlos. —
Die blassen und blonden Völker, in sonnenarmen Ländern aus Frost und Nebel geboren, wurden das wertende Bewußtsein der Welt. In den Sprachen Indiens und Persiens wird der abendländische Mensch ‚der abgeblaßte‘ ge-