Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

nannt. Es scheint denn auch wirklich so, als ob die schwarzen braunen roten gelben Licht- und Sonnenkinder ein ursprüng_ lieherer Menschenschlag seien. Erst durch das Vorher-sorgen-

und Bedenken-müssen in der Not des kälteren Nordens, hinter steinerner Mauern Schranken, erwuchsen: Gewissen und Geist. Nur die Not harter Nahrungskämpfe hat aus des Elementes überschwänglichem Lebensrhytmus hervorgetrieben: Taktirung, meßbare Ordnung, Zahl und Zucht. — Bemerken wir doch ähnlichen Unterschied auch innerhalb Europas zwischen den romanischen Menschen im Süden und uns germanischen Nordländern. '

Der südeuropäische Mensch, leichter-beschwingt, sinneniroher, triebsicherer und mehr in Augenblick und Gegenwart voll-lebendig, also auch weniger bedenklich und minder geistig, steht dem Mutterhause Asiens immer noch nahe. Die besten Kenner Griechenlands: Hölderlin, Nietzsche, Burckhardt, Pater, Hamerling haben die große verhaltene Leidenschaft antiker Schönheit als asiatische Traumgewalt erspürt; indeß der formend bändigende, zielstrebig bewußte Geist der Ordnung sowohl ist: Europas Tugend, wie Europas Grenze. Zweiiellos ist das ionische Griechentum erst nach dem Westen gekommen als die vorderasiatischen Küstenländer und die vorgelagerten herrlichen Inseln dem Iydischen und später persischem Reiche anheimfielen. Damit kam Asiens Seele nachEuropa. Ab und zu aber brachen neue Wellen dionysischer Gewalt in Europa ein.

Menschen, die im Unermeßlichem gewurzelt bleiben, besitzen dunkle Fähigkeiten, die kein Wissen und Grübeln je ersetzen kann. ‚Homo fit omnia non intellesendo.‘ Manche Gaben der asiatischen Völker muten an, so unbegreiflich, wie die Sinne der -Tiere; etwa wie die Fähigkeit der Schmetterlinge, über tausende Meilen hin, sich durch uns gar nicht wahrnehmbare Düfte zu verständigen oder wie die wunderliche Gabe der Zugvögel über Erdteile und Meere hin im Raume sich zu rechte zu finden. Ist es nicht merkwürdig, daß eine Lerche die selbe Stelle im überall gleichartigem Kornfeld, daß eine Schwalbe die selbe Palme in Ägypten, den selben roten Mauerstein unter den Milliarden Mauersteinen einer Weltstadt triebsicher über tausende Meilen hin wieder auffinden kann? Die Jünger der Yogga, Mahadma, Samnyasi,- Gosain, Soufi, einfältige dunkle Menschen besitzen die Gabe, jeden Rythmus: wie Herzschlag und Atem völlige der Willkür ihres riesigen