Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Willens zu unterstellen: nur darum vielleicht, weil sie das

Anderswollen wider die Natur, weil sie das Wollen überhaupt verlernt haben. Tage- ia wochenlang lassen sie sich

lebendig begraben, leben von einer Handvoll Datteln oder Reis, ia von ein paar Tropfen Wassers. Ihre Selbstbeherrschung im Ertragen freiwilliger Martern, ihre Beugung und Ehrfurcht vor ieglichem Schicksal, ihre Leidensfähiskeit und Todesbereitschaft ist für uns, die wir doch diesen Triebstarken die hohe Würde und freie Selbstgesetzgebung der Vernunit entgegenstellen, ganz uneriaßlich. Büßertaten und Selbstopfer, die uns als Wahn ansprechen und nur aus Krankheit und geistiger Umnachtung erklärlich scheinen, dienen in Asien zur Erzeugung uns unzugänglicher Einsichten, uns unerreichbarer oft spukhafter Möglichkeiten. Taten der Selbstaufopferung, die in Europa kaum geglaubt werden, sind in China wie in Japan gewöhnliche Erfahrung; haben doch z. B. in dem letztem Kriege zwischen Japan und China hunderte ihre Frauen und Kinder getötet um sich zu zwingen, entweder siegen zu müssen oder unterzugehen. Alles in allem lebt der Mensch Asiens in andrer Naturverbundenheit, näher der Scholle und Dämonen der Scholle, einiacher, sicherer, aus innerster Verwandtschait wissender über vorbewußte Quellen, die das Leben zeugend lenken; wissender als wir Abendländer mit unsrer naturverwirtschafitenden, naturvernutzenden starren Logik starren Bewußtseins. |

Alle diese Tatsachen kann man in die Formel bringen: „Die Natur ist im Abendlande Mensch geworden“.

Ist aber nicht dieses... die Formel... für Christentum?

er ‚Gott ward Mensch.

‚So ward es denn. aufgeflihrt, das heilbringende Drama der Menschwerdung.‘

Clemens Alexandrinus.

Nehmen wir einmal an, die lichtdurstigste Seele Asiens

träte unter die edelsten Meister der abendländischen Gottes-

lehre, um von ihnen zu erfragen: was ist denn eigentlich Christentum? — Welche Antwort würde sie erhalten?

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