Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Wir haben keine Möglichkeit auf die Frage nach dem Wesen von Christentum, Buddhismus, Islam usw. anders zu antworten als mit der Antwort, welche Christus, Matth. 7. 16 erteilt: ‚An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen‘, denn die Geschichte der Völker und Bildungen ist nichts Anderes als die Verwirklichung und Verwerklichung der Glaubensträume und Zielanbilde jeder Volkheit.

Wer Christus glaubt, wandelt sich in Christus; wer Buddha schaut, wir d Buddha. — Es wäre daher unerlaubt auf die Frage: Was ist das Christentum? den Fragenden, statt einfach auf die Tatbestände der christlichen Kulturländer zu verweisen, etwa blind und blöd zu machen mit einem Überschwall an theologisch-philosophischen Definitionen, Erläuterungen und Vorbehalten, wie z. B. mit dem Vorbehalt, daß der echte Christ die Loslösung von allem GeschichtlichWirklichem erfahren müsse, jene Wiedergeburt (zawn zzisız) durch welche man ‚ein in Christo Neugeborener‘ werde und alles ‚bloß empirische Leben‘, samt Zeit und Raum von sich abstreife. — Noch viel piäffischer, unverschämter und selbstgerechter wäre das heute ausnahmslos und allgemein geübte Verfahren, das gegebene, durch Paulus dank seiner Missionsreisen und Propagandaarbeit seit‘45 n. Chr. geschaffene seschichtliche Glaubensgefüge willig preiszugeben, um sich zurückzuziehen auf das ‚eigentliche‘, ‚durch Jesus selber semeinte' sogenannte Urchristentum. Da haben denn ireilich Millionen Deuteweise und Klugschmuse ihre unangreifbare Burg. Kein Mensch kann ihre Erkenntnisse und Bekenntnisse ie bestreiten; vielmehr kann immer der eine Kulturbonze die Makulaturen des anderen Kulturbonzen loben, anführen und bestätigen; denn klare geschichtliche Anhaltspunkte sind überhaupt nicht gegeben und man kann in Christentum hineinlegen oder aus Christo herausholen, was immer das Herz begehrt.

Der Begründer des geschichtlichen Christentums Paulus hat mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit die bündige Wahrheit ausgesprochen, daß die Christenheit selber die Leibwerdung des christlichen Geistes sei (1. Korr. 12 u. 15. 47).

Wie sollte es auch anders sein? — Wunder und Myten sind keimfähige Wunschanbilde und Zukunftsträume, und die gesamte geschichtliche Wirklichkeit der Menschen ist nichts anderes als die Verwerklichung und Verwirklichung einer vor-