Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Ich will-ganz dahingestellt sein lassen, ob das Christentum wirklich nur eine Glückseligkeitslehre der abendländischen Menschheit oder ob es eine welt- und menschheit-verneinende Erlösungslehre (wie das Christentum Paskals oder Kierkegaards) sei Es kommt hier lediglich darauf an, darzulegen, wie die Wissenschaft der Gegenwart (ihr Historismus, Relativismus, Kritizismus, Logizismus) bereits angelegt und: vor-

bedingt ist im christlichen Mytos und wie hinter der vermeint-

lichen Wissenschaft des Abendlandes somit immer nur diese „menschliche Willenschaft stehe.

Ob das Christentum weltbejahend oder verneinend, optimistisch oder pessimistisch sei, ob das sogenannte Urchristentum oder das sogenannte paulinische das richtige, wahre und eigentliche sei und wie diese beiden zu einander sich verhalten mögen, darüber mögen die Priester des Glaubens oder Unelaubens einander die Schädel spalten. Es geht mich nichts an. Ich wünsche hier lediglich klar zumachen, daß die gesamte Geistes- und Lebenshaltung christlicher Jahrtausende hinauskommt auf Verengung und Verkäfigung kosmisch irrationaler Gewalt in die Begrifisschranke menschlichen Erlöserwahns.

Die letzten hundert Jahre haben gezeigt, daß auf dem Gebiete christlicher Theologie und Philosophie schlechterdings alles möglich ward. So wie der Vogel Strauß die Steine, welche man nach ihm wirft, sofort verschluckt und als Nahrungsmittel wertet, so hat der mammutverdauende Magen der Christlichkeit noch jede beliebige Gedankenwelt sich einzuverleiben und von ihr zu beweisen verstanden, daß sie ‚eigentlich‘ auch Christentum sei. Wie man es iertig gebracht hat, Schopenhauer als ‚philosophus christianissimus‘, Nietzsche als ‚Christushasser aus Christussehnsucht‘ an deutschen Universitäten sozusagen akademisch möglich zu machen, so wird man es auch fertig bringen, den klaren Nachweis dieses Buchs, daß die gesamte abendländische Kultur nur Erfüllung des Christentums sei, als Ehrenrettung des Christentums zu verwerten. Man hat noch jede Kriegserklärung gegen unsere Kulturwelt auszulegen vermocht als eine neue Offenbarung dieser Kulturwelt selber. Jeder Theolog oder Philosoph unterscheidet einfach ein richtig gehendes und eigentliches von einem unrichtig gehendem und uneigentlichem Christentum, wobei eben Alles was ihm in den Kram paßt, das Eigentliche und Richtige heißt.