Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit
. In dieser Welt der Dialektik ist eben Alles, aber auch Alles möglich. Friedrich Nietzsche hat in seinen antichristlichen Schriften dieser christlichen Welt zum Vorwurf gemacht, daß sie lebenverneinend jenseitilüchtig sei. Zu der selben Zeit aber hat Eduard v. Hartmann dem Christentum unaufhörlich auch das Entgegengesetzte vorgeworfen.
Nach Hartmanns übrigens mit vielen Schriftstellen (Z. B. Phänomenologie des sittl. Bewußtseins S. 36-42) belegter Überzeugung ist das ursprüngliche sogenannte synoptische (Ur)-Christentum nichts Anderes, als eine auf lauter Lohnverheißungen und Strafandrohungen aufgebaute ‚praktische Menschenklugheit‘, in welches ursprünglich eudämonistischoptimistische Urchristentum erst Paulus einige ideale weltverneinende Momente hereingetragen habe. Die ganze Willkür’ all dieser Glaubens- und Überzeugungs-Rechthabereien wird klar dadurch beleuchtet, daß diese vor dreißig Jahren noch allgemein übliche Ausdeutung des Verhältnisses des Paulinischen zum Urchristentume neuerdings der genau entgegengesetzten Schätzung Platz machte. Der ‚moderne‘ Theologe stellt das Urchristentum als das ursprünglich reine, noch unbefleckte Ideal hin, welches erst der böse Paulus weltlich herabgewürdigt habe, welche Verunstaltung jedoch Er, der betreifiende ‚moderne‘ Theologe, zum Glücke richtig zu stellen und wieder gut zu machen sowohl willens als in der Lage sei.
Die Geschichte der abendländischen Philosophie, welche kommende Geschlechter vielleicht nicht anders durchwandern werden als wie man ein Wunderkabinett in Spiritus aufbewahrter Meerwunder durchwandert, hat wohl nur wenige Fantasiegeschöpfe aufzuweisen, so buntgestückelt, wie die von Eduard v. Hartmann zusammengepappte als ‚Religion des Geistes‘ bezeichnete allerneueste Chimäre, deren Schwanz aus Schopenhauers buddhistischer Weltverneinung, deren Kopf aus Hegels europäischem Entwicklungs- und Kulturjuchhe zusammengenäht worden ist. Hartmann machte eine scharfe begrifiliche Trennung von Entwicklungslehre (Evolutionismus) und Glückseligkeitsziel (Eudämonologie). Seine große Anklage gegen das Christentum war nun die: daß eszwar den Menschen und den ‚historischen Entwicklungsprozeß‘ ganz richtig in den Mittelpunkt des Weltalls gerückt, dabei aber leider vergessen habe, daß der Sinn dieses ‚Entwicklungsprozesses‘ (wie Buddha lehre) die Aufhebung seiner selber sei, „daß Kultur nichts Anderes ist als der Prozeß der Selbsterlösung ‘Gottes, somit