Giorgiones Geheimnis : ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Mystik der Renaissance
höfischen und kulturpolitischen Rücsichten bald rein fachwissenschaftlihen Verbänden Platz machten. Auffallend ist, daß in Venedig z.B.die Accademia dei Pellegrini (gegr. 1550) ähnlich wie gewisse heutige Logen auh humanitäre Zwecke verfolgte.
„Es ist ein Grundirrtum, der noch heute meist bei der Beurteilung der älteren platonischen Akademien obwaltet, wenn man annimmt, daß dieselben lediglich aus literarisch tätigen Leuten bestanden hätten. Vielmehr wissen wir schon aus den Kämpfen, die Gemisthios Plethon mit seinem Gegner Gennadiosführte, daß zu desersteren nächstem Freundeskreise auch Männer gehörten, die letzterer geradezu als geringe Leute bezeichnete, und von jeher haben viele Beurteiler des Humanismus im gleichen Sinne mit einer Art von Vorwurf behauptet, daß seine Wortführer die Schranken der Stände niederzureißen keine Bedenken getragen hätten. In der Tat umfaßte die Brüderschaft Könige wie. Alfonso von Neapel, Fürsten wie die Medici, vornehme Geschlechter wie die Pico und die Carpi und Patrizier wie Alberti, dabei aber auch einfache Gelehrte, Poeten, Baumeister, Bildhauer und Steinmetzen, ja Männer ohne Vermögen und uneheliche Söhne, wie Lionardo da Vinci und andere, die lediglich den Wert ihrer Persönlichkeit mitbrachten” (Keller). Daß in den Akademien auch das künstlerische Element besonders stark vertreten war, istfür unsere Untersuchung wichtig. Nicht nur im Studium und Verehrung der wieder entdeckten Kunst der Alten, auch in dem heidnischen Ritual- und Symbolwesen mitseinem romantischen, Sinn und Geistberauschenden Zauber lag etwas, was den Sinn des Künstlers mit dem des damaligen Forschers und Gelehrten verbinden mußte. Keller versucht nachzuweisen, daß die italienischen Akademien sich ursprünglich aus den Sodalitäten desBauhandwerks, aus den Bauhütten und Zunftverbänden entwickelt haben, die „Liebhaber des Handwerks” eingebrüdert und so gewisse Sondergruppen innerhalb der Kompagnien herausgebildet hätten.°?) Auf alle Fälle scheint uns gewiß, daß die Sodalitäten der Bauleute in Hütte und Zunft — infolge einer hier nicht weiter zu erörternden Eigenart ihres Berufsgegenstandes und ihrer Berufsorganisationen — gewisse, oftsehr. alte, ketzerisch-gnostisheGeheimlehren fortgeflanzt haben, die in den Steinmetzzeichen, in gewissen Zahlensymbolen
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