Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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bli> und bald war i< überglü>lih in dem neuen Lebett, das ſich vor mir aufthat. Jet war ih fünfzehn Jahre alt, aber i< war no< ſehr unerfahren und kindli<h in meinen Gedanken und meinem Weſen, weil meine Erzieherin ſorgfältig bemüht geweſen war meine Zeit bis dahin ſo viel als es mögli< mit nüglihen Studien und ernſten Kenntniſſen auszufüllen; au<h war das eigentliche Treiben dex Welt mix __no< ſo fremd und unbekannt, troß meinex vielen äußeren

Bekanntſchaft mit derſelben, daß ih alle Menſchen, Einen wie den Anderen, für fromm und gut hielt, ohne Falſch, no<h Schminke, noh irgend eine Bosheit; die Folgezeit hat mich dur bittere Erfahrungen aber bald das Gegentheil gelehrt. Volle ſieben Jahre lang blieb ih am Hof dex Königin Sophie Dorothee und wax derſelben mit großer Verehrung ergeben. Sie war nie ſ{<hön geiveſen, aber ſah ſehr ſtattlih und vornehm aus und ihre Haltung blieb diez ſelbe bis in ihr Alter. Vielleicht hatte ſie mehr esprit acquis als esprit inné; aber ſie war ſehx unterrichtet und ſehr gut erzogen, wußte mit allen Menſchen zu reden und machte eine ſehr angenehme Converſation. Pracht und Geſelligkeit liebte ſie ungemein, ſah alle Mittage und alle Abend Menſchen bei ſih und ſaß beſonders gern lang bei Tiſche, wvas uns Hofdamen zuweilen ſehr langweilte, Es war ſchön zu fehen, welche große und achtungsvolle Zärtlichkeit ihr Sohn, der König, für ſie hatte. Von ihren Töchtern lebte damals nur noch die jüngſte, die Prinzeſſin Amalie, bei ihr, welche den 9. November 1723 geboren, erſt na<h meinem Abgang im Jahre 1755 Aebtiſſin von Quedlinburg wurde. Damals war ſie no< jung, wenn auch ſe<s Jahre älter als ih; aber troß ihrer Jugend war ſie ſehr boshaft und