Theobald Bacher : ein elsässischer Diplomat im Dienste Frankreichs (1748-1813)

LG ES

Zeit ſeines Lebens Diplomatie und Geheimdienſt vereinigte und eben dadurch der franzöſiſchen Regierung wertvoll wurde, wird kaum verkennen können, daß der Dienſt in Solothurn als ſeine hohe Schule zu betrachten iſ. Der Geheimdienſt in der Eidgenoſſenſchaſt wurde in jenen Jahren beſonders dringlich, da die öſterreichiſche Regierung eine Zeitlang, ſobald Joſef 1. Einfluß auf ſie erlangte, danach ſtrebte, Frankreich zu verdrängen. Joſef 11. wollte ein möglichſt abgerundetes öſterreichiſches Gebiet ſchaffen und die Verbindung des Stammlandes mit dem Rheine und ſeinen ſüddeutſchen Beſitzungen ſicherſtellen. Dazu bedurfte er der Macht über die Schweiz, deren öſtlicher Teil die natürliche Verbindung zwiſchen den öſterreichiſchen Beſizungen in Schwaben, Tirol und Ober-Ftalien bildete. Schon im Jahre 1777 ſchrieb er von einer Jnſpektionsreiſe in Vorder-Öſterreich an ſeine Mutter, daß man alles Gewicht auf die Wiedererwerbung der Landgrafſchaft Thurgau legen müſſe. „Sie umgibt Konſtanz und deſſen See, iſt reich, bevölkert, bebaut und würde uns ungemein paſſen. “") Der Plan Öſterreichs ging dahin, wie auh Bacher zu melden wußte, die kleinen deutſchen Herrſchaften in feinem Bereich, beſonders auch ſolche, die Enklaven in ſchweizeriſchem Gebiet beſaßen, aufzukaufen, um ſo von Baſel bis Tirol und andrerſeits von Ftalien her die Schweiz mit einem feſten Gürtel öſterreichiſchen Landes zu umgeben. Dadurch ſollte die Schweiz vorerſt in wirtſchaftliche Abhängigkeit gebracht werden, indem man ihr den freien Handelsweg nah Franken und Schwaben und damit die Zufuhr ihrer meiſten Lebensmittel abſchnitt. Auch auf den Durchgangshandel zwiſchen Deutſchland und Ftalien, der über den St. Gotthard ging, hatte Öſterreich es abgeſehen. Es dachte an den Bau einer neuen Straße über den Splügen, die ſich außer durch eigenes öſterreichiſches Gebiet im weſentlichen nur durch das von Öſterreich von altersher abhängige Graubünden gezogen und deſſen Einverleibung näher gerückt hätte. Als zukünftiges Zentrum der großen vorderöſterreichiſchen Handelspolitif jollte Konſtanz auf alle Weiſe zur Blüte gebracht werden. „Die Stadt Konſtanz,“ ſchrieb Joſef in dem oben erwähnten Brief des Jahres 1777 an ſeine Mutter, „iſt gewiß für den Betrieb des Handels der natürlichſte Punkt, und mittels einiger Einrichtungen könnte ſie das wieder werden, was ſie einſtens war.“ Durch Verleihung von weitgehenden Rechten und Vergünſtigungen zog Joſef eine große Zahl von Juduſtriellen und Handwerkern nah Konſtanz, zumal aus der Weſt-Schweiz, und führte ganz neue Juduſtriezweige in die Stadt ein, die den Großinduſtriellen der Schweiz gefährlicher Wettbewerb machen fonnten. Konſtanz nahm einen ſichtlichen Aufſhwung. Es fehlte allerdings noch an der Durchführung der Straße dur<h Graubünden, die Erlaubnis zu

1) v. Arneth, Maria Thereſia X, 38. v. Arneth, Maria Thereſia u. Foſef IL, . 153. Brief Joſefs vom 24. Fuli 1777.

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